Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2110) Zur Diagnostik ossärer Strukturveränderun- gen wird es dann vorzugsweise das DVT sein, zur Diagnostik von Diskusverlagerungen die Magnetresonanztomografie. Stichwort „Protrusionsschiene“: Sehen Sie in Ihrer Praxis negative Auswir- kungen auf das Kiefergelenk? Was muss bei der Anfertigung solch einer Schiene berücksichtigt werden? Protrusionsschienen sind in der Tat kritisch zu bewerten. Sie verändern die Bisslage und eröffnen dem Kiefergelenk eine weitere Bewegungsdimension nach retral, die auch durch eine okklusale Rehabilitation nicht zu verhindern ist. Protrusionsschienen sollten daher nur zeitbefristet eingesetzt werden, um Beschwerden zu lindern. In der Regel sollte dann aber versucht werden, in der Zentrik zu rehabilitieren. Ausnahmen stellen sogenannte Schlafapnoe- Schienen dar, die den Unterkiefer deutlich ? protrusiv einstellen, um die oberen Atem- wege offen zu halten. Hier wird die Therapie der Schlafapnoe höher bewertet als mög- liche Probleme der Okklusion, die sich durchaus mit diesen Schienen einstellen. Und würden Sie jedem bruxenden Patienten eine Schiene empfehlen? Wenn Sie unter „bruxenden Patienten“ je- manden verstehen, der mit den Zähnen knirscht und Attritionen auf den Zähnen hinterlässt, dann würde ich zur Prophylaxe dieses Zahnhartsubstanzverlusts zu einer Schiene raten. Es muss jedoch betont wer- den, dass nicht jegliche Schlifffacette ein Hinweis auf Knirschen darstellt. Vom dysfunktionellen Zahnabrieb muss der funktionelle unterschieden werden, der völlig physiologisch ist. Insofern kann im Zweifel zunächst ein Monitoring erfolgen, das heißt Festhalten der Abriebflächen, zum Beispiel Bestimmen eines Abrasionsindex ? oder Modellherstellung oder Intraoralscan und wiederholte Untersuchung nach sechs bis zwölf Monaten. Im Fall eines unphysio- logischen Zahnabriebs wäre dann eine Knirscherschiene zu empfehlen. Wenn Sie Bilanz ziehen: Wie rasant hat sich die Funktionsdiagnostik in den vergangenen 50 Jahren entwickelt? Die Funktionsdiagnostik hat sich über eine stark mechanistisch geprägte Gedanken- welt hin zu einer biopsychosozial ausgerich- teten ganzheitlichen Betrachtung gewan- delt, die neben der Zahnmedizin weitere Fachdisziplinen integriert. Dies zeigt sich zum Beispiel auch durch die Öffnung der Jahrestagung für Physiotherapeuten. Die Entwicklung elektronischer Registrier- systeme sowie die Entwicklung dreidimen- sionaler bildgebender Verfahren haben neue Erkenntnisse gebracht und die Handlungs- weisen verifizierbarer, reliabel und einfacher gemacht. Damit ist die Funktion heute keine isolierte Fachdisziplin mehr, sondern ein Querschnittsbereich, der alle zahnmedi- zinischen Fachgebiete integriert und eine Schnittstelle zur Medizin darstellt. Und wenn Sie für die Zukunft der Funktionslehre einen Wunsch frei hätten? Ich würde mir wünschen, dass die Hoch- schullehrer dieses Fachgebiet intensiv lehren und forschen. Für die Absolventen sollte ein funktionelles Screening Routine bei jedem Patienten sein. Die Therapie funktioneller Erkrankungen sollte möglichst wenig invasiv erfolgen und die prothetische Rehabilitation stets funktionelle Parameter berücksichtigen. Die 50. Jahrestagung der DGFDT wird vom 16. bis zum 18. November 2017 traditionell in Bad Homburg ausgetragen. Mehr Informationen unter: www.dgfdt.de/aktuelle-jahrestagung ? ? Der DGFDT-Forschungspreis trägt den Namen von Prof. Dr. Dr. h. c. Alex Motsch (1931–1998), da er sich sowohl als Hoch- schullehrer wie auch als Forscher für das Gebiet der Funktionslehre engagiert hat. So begründete er die „Göttinger Schule“, die einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. Damals standen die Anatomie der Kiefer- gelenke, die gnathologische Rekonstruktion der Kauflächen, die Übertragung funktio- neller Gegebenheiten in Artikulatoren und Geräte zur Registrierung der Kieferbewegun- gen im Mittelpunkt. Motsch war auch ein tragendes Mitglied unserer Fachgesellschaft, denn die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Zahnärzten unter besonderer Berücksichti- gung funktionsorientierter Gesichtspunkte war ihm ein wichtiges Anliegen. Der nach ihm benannte Alex-Motsch-Preis ist mit 5.000 Euro einer der hoch dotiertesten zahnmedizinischen Preise in Deutschland und wird zu gleichen Teilen für die beste Publikation in unserem Fachjournal CMF aus der Hochschule und der Praxis vergeben. Die DGFDT-Medaille für besondere Ver- dienste um die Fachgesellschaft ist nach Oskar Bock benannt. Er ist der Initiator unserer Gesellschaft, studierte ab 1937 Medizin und Zahnmedizin in Erlangen, Wien und Würzburg und arbeitete zunächst in der väterlichen Zahnarztpraxis, bevor er 1953 als wissenschaftlicher Assistent in der Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten in Erlangen begann. Ab 1967 war er als apl-Professor der Leiter der „Spezialabteilung für funktionelle Gebiss- analyse“. Er gründete 1967 zusammen mit Prof. Siegfried Schreiber (Freiburg) die „Studiengruppe für Funktionsdiagnostik“, die bereits Tagungen abhielt, weshalb die Zählung der Jahrestagungen der DGFDT ab 1967 erfolgt. Er war der erste Präsident der Fachgesellschaft und kreierte zusammen mit anderen den standardisierten Befundbogen zur klinischen Funktionsdiagnostik. Prof. Ingrid Peroz Alex-Motsch-Preis und Oskar-Bock-Medaille Die Preise der DGFDT 100 Zahnmedizin

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