Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2086) oder Biodentine) auf Dentin beziehungs- weise in Kontakt zu Pulpagewebe zu einer TGF- ȕ 1-Freisetzung [39, 58, 98]. Die Phosphorsäureätzung von Dentin hat diesbezüglich einen deutlich geringeren Effekt [91]. Die Restdentinstärke hat einen signifikanten Einfluss auf die Reaktionsdentinbildung. Auch wenn die Dentindecke über der Pulpa geschlossen bleibt, überleben nicht alle Odontoblasten. Bei einer Restdentinstärke von weniger als 0,25 mm überleben etwa 50 Prozent dieser Zellen [67], in flacheren Kavitäten liegt die Überlebensrate bei 85 Prozent und mehr [36, 91]. Trotz des Absterbens der Odontoblasten kann in den Kavitäten eine Tertiärdentinbildung beobachtet werden. Die hier beschriebene Reaktionsdentinbildung durch den primären, postmitotischen Odontoblasten ist daher nur eine spezifische Form des Tertiärdentins. Kommt es zu einem Verlust des Odonto- blasten, zum Beispiel nach Pulpafreilegung, spricht man von einer Reparaturdentin- bildung [36, 37, 91]. Hartgewebeneubildung nach Odontoblastenverlust Im Gegensatz zu Reaktionsdentin wird Reparaturdentin definiert als Tertiärdentin, dessen Matrix nach dem Untergang der primären postmitotischen Odontoblasten als Reaktion auf einen Reiz hin gebildet wird [59, 90, 91]. Die Bildung von Reparaturden- tin ist dabei unter biologischen Gesichts- punkten sehr viel komplexer als die von Reaktionsdentin, da in Fällen einer ausge- prägteren Verletzung der Pulpa, zum Bei- spiel nach mechanischer Pulpafreilegung, der primäre Odontoblast zerstört wird. Wie bereits ausgeführt, ist aber ohne Odonto- blasten eine physiologische Dentinbildung nicht möglich. Trotzdem kommt es nach direkter Überkappung einer gesunden, nicht-entzündeten Pulpa zu einem hart- gewebigen Verschluss der Eröffnungsstelle. Dieses Reparaturdentin ist ein sehr hetero- genes, amorphes, atubuläres, mineralisier- tes Gewebe und unterscheidet sich daher histologisch von Primär- und Sekundär- dentin, aber auch von Reaktionsdentin. Reparaturdentin ist knochenähnlich und wird daher auch als Fibrodentin oder Osteo- dentin bezeichnet [36, 37] (Abbildungen 1 und 2). Es ist daher fraglich, ob man hier von einer Dentinbrücke reden kann, da es sich unter histologischem Aspekt nicht um Dentin handelt. Sollte es sich bei Reparatur- dentin wirklich um eine Bildung neuen Den- tins handeln, würde dies bedeuten, dass ein neuer Typ Zellen den zerstörten primären Odontoblasten ersetzen würde. Woher diese Ersatzzellen allerdings stammen sollen, ist auch bisher völlig ungeklärt [81]. Es gibt dazu verschiedene Theorien: Zum einen vermutet man, dass bei der Zahnbildung während der letzten Zellteilung des Prä- Odontoblasten vor der terminalen Diffe- renzierung eine der Tochterzellen an der dentalen Basalmembran positioniert wird und dort dann das induktive Signal erhält, sich zu einem Odontoblasten zu differenzie- ren. Die andere Tochterzelle wandert in die sogenannte Höhlzellschicht der Pulpa und dient möglicherweise als Progenitorzelle („Vorläuferzelle“) zur Bildung von Odonto- blasten-ähnlichen Zellen während der ter- tiären Dentinogenese [35–37, 59, 82, 91]. Bisher gibt es keinen Nachweis, dass sich Zellen aus der Höhlzellschicht zu einem sekundären Odontoblasten (Ersatzodonto- blasten) differenzieren. Es gibt aber Auto- ren, die dies dennoch für wahrscheinlich halten. Zumindest scheinen Höhlzellen den geschädigten primären Odontoblasten in seiner Funktion zu unterstützen [36, 37]. Zum anderen wird spekuliert, dass sich Zellen des Pulpagewebes (Fibroblasten, Endothel- zellen, Perizyten), die sich in der bipolaren Zone der Pulpa beziehungsweise peri- vaskulär finden, nach Pulpafreilegung in undifferenzierte Mesenchymalzellen um- wandeln (ent-differenzieren). Diese undiffe- renzierten Mesenchymalzellen können sich dann in Odontoblasten differenzieren (re- differenzieren). Diese Zellen wandern zur Pulpa-Dentin-Grenzfläche und werden dort Abbildung 2: Reparaturdentinbildung 70 d nach direkter Überkappung mit Mineral Trioxide Aggre- gate an einem Ober- kiefermolaren einer Ratte: Auffällig ist die heterogene, amorphe, atubuläre, knochen- ähnliche Erscheinungs- form (Osteodentin). (Elektronenmikro- skopische Aufnahme, Originalvergrößerung 3300×, Markierung = 3 μm) Abbildung 3: Bissflügelaufnahme des zweiten und des dritten Quadranten einer 26-jährigen Patienten: Auffällig war die Approximal- karies an Zahn 25 distal. Abbildungen 3 bis 9 zuerst erschienen in: Dental Magazin 2011; 28(2): 30–34 76 Zahnmedizin
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