Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2088) nach bei menschlichen, kariösen Zähnen histologisch nicht nachweisbar. Es ist daher gar nicht gesichert, ob es sich bei der Hartgewebsneubildung wirklich um Dentin handelt oder nur um eine dystrophische intrapulpale Mineralisation als Reaktion auf eine Entzündung [81]. Die dystrophische Mineralisation von Narbengewebe im Kör- per ist nicht ungewöhnlich. Sie findet sich in der Lunge, der arteriosklerotischen Plaque der Blutgefäße [27] oder auch in Form von Dentikeln in der Pulpa [22]. Eine freigelegte Pulpa hat die Kapazität, nach direkter Überkappung eine Hartgewebe- brücke zu bilden, doch wird diese vermut- lich nicht von sekundären Odontoblasten, Odontoblasten-ähnlichen Zellen oder ir- gendwelchen Ersatzzellen gebildet, sondern von Fibroblasten-ähnlichen Zellen [81]. Tat- sächlich kommt es nach direkter Über- kappung zu einer Proliferation von Fibro- blasten-ähnlichen Zellen sowie Endothel- zellen und der Bildung von Granulations- gewebe infolge einer Entzündungsreaktion. Die Bildung von Granulationsgewebe durch die Proliferation von Kapillaren und Fibro- blasten-ähnlichen Zellen initiiert die Repara- tur des Pulpagewebes. So ist die entzünd- liche Reaktion ein wesentlicher Bestandteil des Wundheilungsprozesses [26]. Zerstörte Odontoblasten werden also durch Fibro- blasten-ähnliche Zellen ersetzt, die eine lockere Kollagenmatrix bilden. Anschließend wird dieses Narbengewebe mineralisiert, was zur Bildung eines amorphen, atubulären Hartgewebes führt. Bei einer Hartgewebs- brückenbildung nach direkter Überkappung handelt es sich folglich um mineralisiertes Narbengewebe [81]. Diese dystrophische Mineralisation nach Untergang des primären Odontoblasten ist ein Reparaturvorgang und keine Dentinregeneration [81]. Regeneration und Reparatur sind zwei verwandte, aber doch unterschiedliche Prozesse. Regeneration bedeutet eine Proliferation von Zellen und Gewebebildung, die verlorenes oder geschädigtes Gewebe oder Zellen ersetzen, sodass es zur Regeneration einer normalen Gewebestruktur kommt. Reparatur bedeutet zwar auch den Ersatz originaler Strukturen, aber immer in Kombination mit Kollagen- anlagerung und Narbenbildung [42]. Bei der Regulation der Repaturdentinbildung sind vermutlich wiederum Wachstums- faktoren der TGF- ȕ -Familie beteiligt, da sie auch fibröse Veränderungen verschiedener chronischer Entzündungsprozesse, zum Bei- spiel von Lunge, Nieren und Leber, regu- lieren und grundsätzlich eine Rolle bei der Bildung von hypertrophem Narbengewebe spielen [81]. Wichtig ist aber zu betonen, dass beides, Reaktionsdentinbildung (durch primäre Odontoblasten) und Reparaturdentinbildung zeitgleich in ein und derselben Kavität ab- laufen und somit in der gleichen Läsion beide Arten von Tertiärdentin beobachtet werden können [81, 91]. Überkappungsmaterialien Für den Erfolg einer Überkappung sind die Entfernung der Reizfaktoren (Karies), die Kontrolle der Infektion und die Bio- kompatibilität des Überkappungsmaterials wichtige Voraussetzungen [10, 15]. Kake- hashi et al. [54] konnten in einem klas- sischen Experiment zeigen, dass die Pulpa der Ratte bei Abwesenheit von Mikro- organismen die Regenerationskraft besitzt, auch ohne Medikamente oder Deckfüllung eine Eröffnungsstelle mit Hartgewebe zu verschließen. Das Vorkommen beziehungs- weise das Fehlen von Mikroorganismen ist der bestimmende Faktor bei der Heilung von Pulpagewebe [54]. Das Experiment wurde später in ähnlicher Form von Paterson und Watts wiederholt und erbrachte das gleiche Ergebnis [74]. Pulpagewebe besitzt also die Fähigkeit, nach einer Verletzung ohne bakterielle Kontaminationen auszu- heilen, wobei die Gewebereaktionen nach Überkappung (zum Beispiel Kollagen- synthese und -sekretion) grundsätzlich die Abbildung 6: Bei der vollständigen Kariesexkavation kam es zu einer iatrogenen Eröffnung des Pulpakavums. Abbildung 7: Das freigelegte Pulpa- gewebe sowie ein Großteil des Dentins wurden mit einem Calciumsilikat- Zement (Biodentine; Septodont, Nieder- kassel) im Sinne einer Unterfüllung abgedeckt. Der Zement wurde mit Zementstopfern unter leichtem Druck in die Kavität eingebracht. 78 Zahnmedizin

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