Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2018) S3-Leitlinie Fissurenversiegelung – Fissuren sauber halten, aber nicht versiegeln Zum Leserbrief von Michael Zöller zum Leserbrief von Dr. Klehmet: „S3-Leitlinie-Fissurenversiegelung – wo ist der Erfolg?“, zm 15-16/2017, S. 8. Es ist nicht schlimm und man ist ganz bestimmt kein „dummer Kollege“, wenn man nicht in der Schule oder studienbegleitend Latein gelernt hat. Es schadet aber auch nicht, vor allem nicht bei der sinnentnehmenden Lektüre – auch fremdsprachiger – medizi- nischer Fachliteratur. „Einfache Sprache“ gibt es zunehmend auf Behördenwebsites, in der Fach- literatur ist das – bisher – nicht üblich. Wer einen Begriff nicht versteht oder nicht übersetzen kann, kann sich bei Wikipedia oder einer Übersetzungsseite helfen lassen. Das hat sich herumgesprochen, und es mar- kiert keinesfalls den Unterschied zwischen „dumm“ und „schlau“. Herr Zöller hätte sich die Zeit viel- leicht besser mit etwas Latein vertrieben als mit der sprach- lichen Kritik an einem außer- gewöhnlichen Artikel. Die freundliche Aufklärung durch Herrn Dr. Klehmet hat insofern sicher nur eine kleine ironische Spitze, danke dafür. Dumm ist jedoch, wenn man das „Thema Fissurenversiegelung“ für ein „einfaches, allgemeines Thema“ hält. Meiner Meinung nach ist es „dumm“, Fissuren- versiegelungen „blind“ bei 6- bis 17-jährigen, und dann auch nur bei 6ern und 7ern (Kasse) oder allen Seitenzähnen (privat) zu machen – Warum eigentlich nicht bei den Schneidezähnen, da gibt es auch Glattflächen (Pos. 2000 GOZ?) .– , weil a) die IPs kassenabrechnungs- technisch außerhalb der Budgets behandelt werden, b) die Versiegelungen grund- sätzlich delegationsfähig sind, da der Zahnarzt ja nicht invasiv tätig werden muss (stimmt das wirk- lich?) c) und alles, was mit Prophylaxe zu tun hat, dem Patienten vor- täuscht, dass man sich ganz besonders um die Erkrankungs- vorbeugung (= Prophylaxe) be- müht. Fakt ist, dass in der „alten“ Richt- linie ein Fotobeispiel vorher – nachher aufgeführt ist, bei dem der Zahn nicht kariesfrei ist, wie in der Leistungsbeschreibung ge- fordert, sondern mit allergrößter Wahrscheinlichkeit sogar eine Dentinkaries aufweist. Die alte wie neue Richtlinie und ihre „Evidenz“ beschreibt die tägliche Praxis: Es ist völlig irrelevant, ob der Zahn kariesfrei ist oder nicht, entscheidend ist das Alter des Patienten, ob man Zeit und/ oder Lust für eine Kinderbehand- lung hat etc. Die von Klehmet beschriebenen zahlreichen de- fekten, weil inkompletten „Ver- siegelungen“ ermöglichen regel- mäßig den Blick auf mitunter tiefe Kariesdefekte, jedenfalls nicht auf „kariesfreie Fissuren“. Die Evaluation dieser angeblich kariesprotektiven Therapie würde ein ernüchterndes Ergebnis zei- gen. Eine wissenschaftlich be- gleitete Evaluation würde mit an Sicherheit grenzender Wahr- scheinlichkeit ergeben, dass man kariesfreie Fissuren sauberhalten, aber nicht „versiegeln“ sollte, da man letztlich nur die Karies versiegeln würde, und wohl nicht einmal das gelingen könnte. Möglicherweise würde eine seriöse Evaluation auch zeigen, dass „abwarten und beobachten“, fluoridieren oder ähnliche symbolische Aktionen teilweise in der Praxis auch nicht Münsteraner Memorandum – Was für Experten ... Zum Beitrag: „Münsteraner Memorandum: Befähigen oder abschaffen?“, zm 17/2017, S. 26–27. zu einer „Remineralisierung“ ka- riöser Defekte führen. Wir miss- brauchen das Vertrauen unserer Patienten, wenn wir ihnen einen derartigen Bullshit für bare Münze verkaufen. Aber wenn es Geld dafür gibt, stellt der Ver- stand keine Fragen. Herrn Klehmet ist zu danken für seine Arbeit, die Wert- und Sinn- losigkeit der vorliegenden Leitlinie qualifiziert zu kommentieren und kritisieren. Ich selbst gehöre aus denselben Gründen wie von Klehmet beschrieben zu denen, die keine „Fissuren versiegeln“. Ich versiegele alle(!) Komposit- restaurationen unter Kofferdam, – dafür muss ich allerdings immer selbst in Aktion treten. Und in kariesfreie Fissuren bohre ich weder hinein noch schwäche ich die Schmelzmatrix durch Säuren(!). Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir glauben, dass wir unseren Patienten etwas Gutes tun, im Gegenteil: „Primum nil nocere“ – für den des Lateinischen (Genitiv) Unkundigen: „Zu aller- erst einmal nicht schaden.“ Fissurenversiegelung ist weder einfach noch allgemein! Sie kann nur theoretisch nützen, praktisch aber viel schaden! Dr. Ulrich Schneider, Telgte Der Münsteraner Kreis hat bereits mehrfach für Schlagzeilen gesorgt und hat mit einem Expertengremium nichts zu tun. Dort werden fehlerhafte Infor- mationen gehandelt, die auf wenigen Argumenten beruhen und sich – wie so oft – auf diesen einen Ausnahmefall in Brügge beziehen, wo ein (!!!) Heilpraktiker gegen das Berufs- gesetz verstoßen hat. Liest man die ganzen Artikel über Pfusch bei Ärzten oder Zahnärzten, würde man auch nicht auf die Idee kommen, den ganzen Berufsstand abzuschaffen. Und dass diese Diskussion auch ohne die Heilpraktiker bzw. deren Fachverbände geführt wird, zeigt auch das Niveau dieses Experten- Kreises an ... Hier die Fakten über Heilpraktiker von einem Medizinrechtler: http://www.heilpraktikerrecht. com/wp-content/uploads/2017/ 08/20170821-Kurzgutachten- HP-Recht-signed.pdf Michael Schlimpen, Heilpraktiker, Kelberg/Nürburgring Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behal- ten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an: zm@zm-online.de oder Zahnärztliche Mitteilungen Redaktion Behrenstraße 42 10117 Berlin. 8 Leserforum
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