Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2090) Calciumhydroxid beteiligt sich folglich aktiv an der Bildung von neuem Hartgewebe in der Pulpa. Klinische Studien zeigen Erfolgs- raten beimMenschen von über 80 % für die direkte Überkappung mit einer wässrigen Calciumhydroxid-Suspension [23]. Trotzdem gibt es einige Nachteile bei der Anwendung von Calciumhydroxid [21]: Calciumhydroxid haftet nur schlecht an Dentin. Es wurden Resorptionserscheinungen und eine mechanische Instabilität des Materials beobachtet [6, 38]. Calciumhydroxid bietet keinen Langzeit- schutz vor Undichtigkeiten (Mikroleakage) [15, 21]. Darüber hinaus können in neu gebilde- tem Hartgewebe Porositäten vorkommen, die als „Tunneldefekte“ bezeichnet werden und als Eintrittspforten für Mikro- organismen dienen können, wenn Calcium- hydroxid resorbiert wird. Dies kann zu einer sekundären Entzündung des Pulpagewebes und somit zu einem Scheitern der Vitalerhal- tung führen [20]. Zudem verursacht der hohe pH-Wert von Calciumhydroxid-Suspensionen (12,5) in direktem Kontakt mit dem Pulpagewebe eine Liquidationsnekrose [93]. Daher sollte Calciumhydroxid nur klein- flächig im Bereich der Pulpafreilegung oder im pulpanahen Bereich der Kavität auf- getragen werden, da es bei großflächiger Applikation unter einer definitiven Res- tauration im Laufe der Zeit zu Resorptions- erscheinungen und somit zu mechanischer Instabilität kommen kann [6, 93, 94, 96]. Diese Vorgehensweise ist in Bezug auf Calciumhydroxid vollkommen richtig und wichtig, allerdings ist auch zu bedenken, dass das umgebende Hartgewebe ebenfalls mit überlebensfähigen Bakterien kontami- niert sein kann. Ein antibakterielles Über- kappungsmaterial sollte idealerweise nicht nur an der tiefsten Stelle der Kavität appli- ziert werden, sondern auch auf das umge- bende Dentin, um diese Bakterien wirksam zu bekämpfen. Ein solches Vorgehen erhöht möglicherweise die Wahrscheinlichkeit, dass die verbliebenen Mikroorganismen ein- gedämmt werden und so eine Infektion der Pulpa verhindert wird. Dadurch lässt sich evtl. die Erfolgsrate der Überkappung bei Zähnen mit profunder Karies erhöhen [10, 15]. Durch diese Überlegungen wird aller- dings das Konzept der Überkappung mit Calciumhydroxid infrage gestellt. Aus die- sen Gründen ist die Pulpaüberkappung mit Calciumhydroxid nicht unumstritten und wird von einigen Autoren nicht mehr als Mittel der ersten Wahl zur Vitalerhaltung der Pulpa angesehen [2, 15]. Erhärtende Calciumhydroxid-Zemente Im Gegensatz zu wässrigen Calciumhydroxid- Suspensionen sind andere Calciumhydroxid- Kombinationen wie Zemente (Calciumsali- cylatester-Zemente), aber auch Liner oder Kitte aufgrund der wesentlich geringeren Freisetzung von Hydroxyl-Ionen für die Überkappung der Pulpa weniger geeignet. Bei diesen Präparaten ist der resultierende pH-Wert niedriger [92, 93] und der anti- mikrobielle Effekt deutlich schwächer [31]. Zudem weisen aushärtende Calciumsali- cylatester-Zemente (wie Kerr Life; KerrHawe, Bioggio, Schweiz oder Dycal; Dentsply, Konstanz) eine kontinuierliche Desintegration auf [6]. Sie bietet daher keine notwendige dauerhafte Abstützung für die Hauptfüllung [66, 93, 94]. Neues Hartgewebe bildet sich unter Calcium- hydroxidsalicylatester-Zementen sowohl lang- samer als auch in der Form uneinheitlicher und weniger dicht. Die Hartgewebsneubil- dung kann demnach unter diesen Calcium- hydroxid-Präparaten schwächer ausfallen. Außerdem kommt es im Vergleich zu Calcium- hydroxid-Suspensionen häufiger zu Entzün- dungszeichen, d. h. der Zustand der Pulpa ist als schlechter zu bezeichnen [61, 75, 84]. Einige Zusätze, die für eine Erhärtung der Calciumhydroxidpräparate sorgen, können sich möglicherweise sogar toxisch auf das Pulpagewebe auswirken [61]. Insbesondere für die direkte Überkappung sind erhärtende Calciumhydroxidzemente auf Calciumsali- cylatesterbasis abzulehnen. Dentinadhäsive und Komposite Aufgrund der Nachteile, die bei der Über- kappung mit Calciumhydroxid beschrieben wurden, wird immer wieder nach Alternati- ven gesucht. Dazu gehört die Überkappung des vitalen Pulpagewebes mit Dentin- adhäsiven; diese wurden seit Mitte der Abbildung 8: Für den definitiven Verschluss mit Komposit wurden eine Matrize und ein Keil gelegt (Composi-Tight 3D, Garrison, Übach-Palenberg). 80 Zahnmedizin

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