Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2092) sachen eine chemische Immunsuppression, die die Entwicklung pathologischer Ver- änderungen der Pulpa fördert [8]. Dentin- adhäsive und Komposite sind grundsätzlich nicht biokompatibel [18] und daher für eine Überkappung abzulehnen [2]. Lichthärtende Liner und Zemente Um die Nachteile der bewährten Calcium- hydroxidpräparate auszugleichen, wurden lichthärtende Liner und Zemente mit Cal- ciumhydroxidzusatz entwickelt (Produkt- beispiel Calcimol LC; VOCO, Cuxhaven). Diese Materialien sind trotz des Komposit- anteils in ihrer mechanischen Festigkeit aber nicht ausreichend, zudem fehlt ihnen die spezifische Calciumhydroxidwirkung [66]. Der pH-Wert dieser Produkte ist hochsigni- fikant niedriger im Vergleich zu anderen Calciumhydroxidprodukten [95]. Trotzdem konnte eine gewisse antibakterielle Wirkung in vitro festgestellt werden [77]; andere Untersuchungen konnten dies allerdings nicht bestätigen [102]. Eindeutig nach- gewiesen ist aber eine Zytotoxizität dieser Produkte, die auf den Kompositanteil zu- rückzuführen ist [47, 77, 78]. Daher ist zum Beispiel laut Herstellerangaben der direkten Kontakt von Calcimol LC zu Pulpazellen zu vermeiden. Ein anderes lichthärtendes Produkt in dieser Richtung ist TheraCal LC (Bisco, Schaumburg, USA). Das Indikationsspektrum entspricht laut Hersteller dem von Calcium- silikat-Zementen (siehe unten: Hydraulische Zemente auf Calciumsilikatbasis). Im Gegen- satz zu allen anderen Calciumsilikat-Zement- produkten, bei denen ein Zementpulver mit einer Flüssigkeit (Wasser) angemischt werden muss, besteht TheraCal LC aus 45 Prozent- Portland-Zement CEM III und 45 Prozent Komposit-Kunststoff [33] und ist daher lichtpolymerisierbar, was die klinische An- wendung von TheraCal LC im Vergleich zu anderen Zementen auf Calciumsilikatbasis deutlich vereinfacht. Bekannt ist aber, dass alle Monomerbestand- teile in TheraCal LC in vitro zellschädigend sind [44, 51, 52]. Hebling et al. [47] konn- ten nachweisen, dass es nach einem Tag direktem Kontakt zu TheraCal LC zu einer Abnahme der Zellumsatzrate um 31,5 Pro- zent kam und nach einer Woche zu einer Abnahme der Zellumsatzrate um 45,9 Pro- zent [47]. Nach 72 Stunden Kontakt zu TheraCal LC kam es zu einer deutlichen Abnahme der prozentualen Überlebensrate der Zellen [78]. Für eine Gewebeheilung (zum Beispiel Hartgewebeneubildung der Pulpa nach Überkappung) ist es aber ent- scheidend, dass es nicht zu einer Abnahme, sondern zu einer Zunahme der Zellumsatz- rate kommt. Im Gegensatz zu TheraCal LC induzieren andere Calciumsilikatprodukte und Calciumhydroxid nachweislich die Zellproliferation an der Pulpa [25, 26]. TheraCal LC hat – wie auch andere licht- härtende Liner mit Calciumhydroxidzusatz – in direktem Kontakt einen erheblichen zellschädigenden Effekt [47, 77, 78]. Darü- ber hinaus wurde ein potenziell negativer biologischer Effekt von TheraCal LC auf menschliche dentale Stammzellen der Pulpa (hDPSCs) beschrieben [11]. Zudem ist bis- her unklar, wie viel Portlandzement aus der Kunststoffmatrix überhaupt freigesetzt wer- den kann, wenn das Material polymerisiert ist. TheraCal LC zeigt nach Aushärtung eine heterogene Struktur mit einem hohen Anteil großer, unhydrierter Partikel, da durch den Kunststoffzusatz nicht genügend Feuchtig- keit vorhanden ist, um eine Hydratation zu ermöglichen. Die Hydratation von TheraCal LC, das heißt die Reaktion des Zement- anteils mit Wasser ist wegen der begrenzten Feuchtigkeitsdiffusion innerhalb des Mate- rials unvollständig. Somit wird kein Calcium- hydroxid und nur eine geringe Menge an Calciumionen freigesetzt [14]. Lichthärtende Liner und Zemente mit Calciumhydroxid- beziehungsweise MTA- Zusatz sind insgesamt zytotoxisch [77, 78]. Und nach derzeitiger Datenlage ist daher von einer indirekten oder direkten Über- kappung der Pulpa mit lichtpolymerisier- baren Calciumhydroxid- oder Calciumsilikat- haltigen Materialien abzuraten. Hydraulische Zemente auf Calciumsilikatbasis Calciumsilikat-Zemente sind werkstoffkund- lich ähnlich den aus der Bauindustrie be- kannten Portlandzementen. Sie werden auch als „hydraulische“ Zemente bezeichnet, da sie sowohl an der Luft als auch unter Wasser erhärten und auch beständig sind [9]. Calciumsilikat-Zemente werden seit Ende der 1990er-Jahre in der Zahnmedizin einge- setzt. Der erste Vertreter dieser neuen Stoff- klasse war Mineral Trioxide Aggregate (Pro- Root MTA; Maillefer Dentsply, Ballaigues, Schweiz). Ursprünglich wurde Mineral Trio- xide Aggregate (MTA) zur Deckung von Perforationen im Wurzelkanalsystem ent- wickelt. Es wurde aber bald festgestellt, dass sich MTA auch sehr gut für die Vital- erhaltung der Pulpa eignet [21]. MTA ist ein Zementpulver, das hauptsächlich aus Di- und Tricalciumsilikat besteht und mit Was- ser angemischt wird. Bei der Reaktion mit Wasser und der anschließenden Aushärtung wird über einen längeren Zeitraum Calcium- hydroxid freigesetzt [9]. Dadurch erklären Abbildung 9: Nach einer 15- minütigen Abbinde- zeit von Biodentine wurde die Kavität mit Komposit (Grandio, VOCO, Cuxhaven) unter Verwendung eines selbstätzenden Dentinadhäsivs (OptiBond XTR, Fa. KerrHawe, Bioggio, Schweiz) definitiv versorgt. 82 Zahnmedizin
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