Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 107, Nr. 18, 16.9.2017, (2093) sich anhaltende antibakterielle Eigenschaften, obwohl es sich um erhärtende Zemente mit geringer Löslichkeit handelt [71, 99]. Die Freisetzung von Calciumhydroxid hat aber noch einen weiteren Effekt: Calciumsilikat- haltige Zemente haben die Fähigkeit, Hydroxylapatitkristalle auf der Oberfläche zu bilden, wenn sie in Kontakt mit Calcium- und Phosphat-haltigen (Körper)Flüssigkeiten kommen [34]. Der Apatit-haltige Niederschlag auf der Zementoberfläche ist ein Zeichen für die Biokompatibilität von Calciumsilikat- Zementen [43]. Osteoblasten, parodontale Ligamentzellen, Zellen des Zahnzements, aber auch Pulpazellen lagern sich direkt auf Calciumsilikat-Zementoberflächen an, da das Material als „nicht fremd“ erkannt wird [100]. Dies erklärt die hohe Biokompa- tibilität dieser Zemente. Neben Calciumhydroxid wird bei der Aushärtung von Calciumsilikat-haltigen Ze- menten auch Silizium freigesetzt. Die ge- naue Funktion von Silizium bei den Stoff- wechselprozessen des Hartgewebes ist un- klar, aber es wird angenommen, dass es eine Rolle in der Frühphase der Mineralisation spielt [16]. Es ist auch bekannt, dass Silizium die Rate an neuem Hartgewebe fördert, wenn es aus bioaktiven Materialien wie MTA freigesetzt wird [73]. Darüber hinaus kann Silizium in vitro demineralisiertes Dentin re- mineralisieren [83], was auch für Calcium- silikat-Zemente nachgewiesen wurde [4]. Daraus kann man schlussfolgern, dass die Freisetzung von Silizium aus Calciumsilikat- haltigen Materialien zusätzlich zur Induktion von Hartgewebebildung beiträgt [43]. Calciumsilikat-haltige Materialien sind da- her dafür bekannt, nicht nur biokompatibel, sondern auch bioaktiv zu sein [58, 104]. Bioaktivität bezeichnet einen positiven Ef- fekt eines Medikaments oder Materials auf lebendes Gewebe. Ein Material wird als bio- aktiv bezeichnet, wenn es mit Zellen des menschlichen Körpers interagiert oder eine vorteilhafte Wirkung auf Zellen hat [49]. In Studien zur Biomineralisation bezeichnet Bioaktivität zumeist die Förderung einer Hartgewebsbildung, die von einemMaterial induziert wird. Calciumsilikat-Zemente stimulieren die osteo- gene beziehungsweise odontogene Kapazität von Pulpazellen (DPC) durch die Aktivierung und Expression verschiedener Gene, was zu Zellproliferation, Angiogenese und Bio- mineralisation führt. Wenn DPCs in direkten Kontakt mit Calciumsilikat-Zementen ge- bracht werden, zeigen sie eine höhere Gen- aktivierung, was wiederum eine effektivere Reparatur von geschädigtem Pulpagewebe und eine schnellere und besser vorhersag- bare Bildung von Hartgewebe zur Folge hat [80]. Die Zellproliferation und Biominerali- sationsleistung von Pulpazellen wird in Kon- takt mit Calciumsilikat-Zement angehoben [104]. So konnte in vitro zum Beispiel nach- gewiesen werden, dass Pulpafibroblasten Mineralisationskerne bilden, nachdem der Zement dem Zellmedium hinzugefügt wurde [58]. Ursache dafür ist die Freisetzung von TGF- ȕ 1. Dieser Wachstumsfaktor wirkt als Regulator bei vielen Reparaturvorgängen in diversen Gewebearten. Calciumsilikat- Zemente können – identisch zu Calcium- hydroxid – die Zellsekretion von TGF- ȕ 1 signifikant erhöhen [57, 98]. Calciumsilikat- Zemente fördern zudem die Proliferation zum Beispiel von humanen Osteoblasten und parodontalen Ligamentzellen [53]. Calciumsilikat-Zemente gehen einen dichten Verbund zum Dentin ein. Mineralanteile aus dem Zement interagieren mit der Dentin- oberfläche und dringen in die Dentintubuli ein [5]. Daher haben Calciumsilikat-Zemente eine Haftung an Dentin, die mit der von Glasionomerzementen vergleichbar ist [55]. Wenn diese hydraulischen Calciumsilikat- Zemente als Medikament zur Überkappung verwendet werden, kann daher eine erneute Kontamination von Pulpagewebe verhindert werden [76]. Der Vorteil im Vergleich zu Calciumhydroxid- produkten liegt in der höheren mechanischen Festigkeit, der geringeren Löslichkeit und dem dichteren Verschluss dieser Materialen auf Calciumsilikatbasis. Drei Hauptnachteile von Calciumhydroxid könnten bei der Anwendung eines Calciumsilikat-Zements somit vermieden werden: Resorptions- erscheinungen des Überkappungsmaterials sowie die mechanische Instabilität und da- raus folgend der fehlende Langzeitschutz vor Mikroleakage aufgrund von Undichtig- keiten [21]. Fortsetzung des Artikels auf Seite 84

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=