Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2256) Care Dottoresse, cari Dottori! Ich weiß nicht, wie intensiv Sie diese Kolumne lesen. Geht es Ihnen wie meiner Tochter, die der Meinung ist, meine Artikel seien auf Dauer eigentlich ungenießbar, weil immer dasselbe darin steht: Arbeite und spare? Ich halte das zwar für übelste Nachrede, doch wenn Sie sich im Alter mit einer (freien) Million Euro in den Ruhestand verabschieden wollen, um in den letzten Lebensjahren noch mal richtig auf die Pauke hauen zu können, dürfen Sie mein Postulat nicht negieren. Heikel wird‘s auch, wenn Sie die Sparraten der nächsten Jahre zu 100 Prozent in fondsgebundene Rentenpolicen stecken. Davon bitte ich Sie, doch Abstand zu nehmen, weil ich es mit Wilhelm Busch halte: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe! Bitte verfolgen Sie, wenn Sie um die 50 Jahre sind, aufmerksam die heutige Rechnung, sonst wer- den Sie in 17 Jahren dastehen wie ein gerupftes Huhn, und das muss ja nun wirklich nicht sein. Fondsgebundene Renten- policen sind Aktiensparpläne im Mantel von Versicherun- gen. Bei einer Verzinsung von 5 Prozent pro Jahr sind 204 Raten à 3.153 Euro nötig, um in 17 Jahren zu einem End- guthaben von 1.000.000 Euro zu kommen. In jeder Prämie steckt für den Verkäufer eine Provision von mindestens 2,5 Prozent. Außerdem kommen die Kosten der Ver- sicherung hinzu, die wenigstens 5 Prozent betragen. Folglich fließen jeden Monat nicht 3.153 Euro, sondern nur 2.917 Euro in den Spartopf. Der monatliche Schwund von 7,5 Prozent senkt den Endwert auf 925.000 Euro und die Rendite auf 4,15 Prozent pro Jahr. Das ist freilich nur der Anfang des Elends. Viel schlimmer sind die jährlichen Verwal- tungskosten, die in den Aktienfonds anfallen. Sie liegen im Schnitt bei 1,5 Prozent pro Jahr, so dass die jährliche Verzinsung auf nur noch 2,65 Prozent sinkt. Das hat zur Folge, dass der Endwert nur noch 809.000 Euro beträgt. Nun kommt auch noch die Steuer ins Spiel. Am Ende der Laufzeit wird der halbe Gewinn der Police der persönlichen Besteuerung unterworfen. Im vorliegenden Fall werden 643.000 Euro einbezahlt, so dass das steuerpflichtige Einkommen im Schlussjahr um 83.000 Euro steigt. Bei einem Steuersatz von 40 Prozent muss der Anleger etwa 33.000 Euro abgeben, so dass effektiv 776.000 Euro übrig bleiben werden – und der Traum von der Million in weite Ferne rückt. Die hohen Abzüge verleiten mich, das wird Sie nicht wundern, immer wieder zu der Frage, was Anleger und Sparer veranlasst, ihr gutes Geld in solche Sparverträge zu stecken. Ich habe – offen gesagt – keine Ant-wort zur Hand. Vermutlich ist es die übliche Mischung aus fehlendem Wissen und mangelhaftem Interesse, plus den flotten Sprüchen provisionshungriger Ver- käufer, die zu diesem Desaster führen. Bitte überlegen Sie einmal in Ruhe: Sie zahlen 643.000 Euro ein, erwarten 1.000.000 Euro, versenken aber mal eben 224.000 Euro. Dazu fällt mir wirklich nur der Stoßseufzer von Wilhelm Busch ein: Ach, das ist ein schlimmes Ding, wie es diesem Zahnarzt ging! Wenn es Ihnen anders ergehen soll, müssen Sie meiner Meinung nach auf Fondspolicen verzichten. Das ist kein Beinbruch, weil es Ihnen bei nüchterner Betrachtung der Dinge nicht um Versicherungen, sondern um Aktien geht. Die Anhänger der Fonds- policen werden an dieser Stelle zwar ein- wenden, der Versicherungsmantel biete den großen Vorteil, dass die Erträge der Aktien nicht jedes Jahr, sondern erst am Ende der Laufzeit besteuert werden, so dass die Stundung der Steuern zu einem Zinsgewinn führe. Das ist zwar richtig, doch die Kosten der Versicherung fressen nicht nur den Ge- winn auf, sondern führen unterm Strich zu Einbußen, so dass ich in aller Deutlichkeit zu Protokoll gebe: Wenn Sie mithilfe von Aktien dereinst Millionär werden wollen, sollten Sie auf „lupenreine“ Aktien setzen und alle „Kostgänger“ wie Verkäufer, Versicherun- gen und Verwalter von Bord jagen. Sonst wird das mit dem Vermögen in Millionen- höhe einfach nichts werden. Die Anlage von 204 Raten à 3.153 Euro in drei Indexfonds – jeweils ein Drittel in Amerika, Asien und Europa – führt bei einer jährlichen Verzinsung von 5 Prozent zu einem (theoretischen) Endwert von 1.000.000 Euro. Die jährlichen Gebühren von 0,25 Prozent und die Steuern von 26,375 Prozent pro Jahr drücken den End- wert auf 887.000 Euro. Das ist heftig genug, aber um 111.000 Euro vorteilhafter als die Fondspolice. Soll in 17 Jahren die Million auf dem Konto stehen, können Sie mit monat- lichen Sparraten von jeweils 2.500 Euro be- ginnen, wenn die Zahlungen jedes Jahr um 5 Prozent steigern. Oder Sie füttern das Sparschwein vom ersten Tag mit 3.500 Euro pro Monat. Dann müssen Sie die Raten nicht erhöhen. Kurzum: Ich muss Sie weiterhin zu Arbeit und Sparsamkeit auffordern, auch wenn meine Tochter irgendwie recht hat: Es ist nicht gerade prickelnd, solche Botschaften zu lesen. Vielleicht wollen Sie sich die Sache mit der Million noch einmal überlegen? Bitte vergessen Sie aber nicht, dass auch für das Backen kleinerer Brötchen das Rezept gilt: Die fondsgebundenen Rentenversicherungen sind für das Ziel, im Alter die Puppen tanzen zu lassen, einfach nicht die richtigen Zutaten, weil Sie (noch) nicht reich genug sind, um sich die hohen Kosten dieser fragwürdigen Sparverträge leisten zu können! \ Volker Looman zur Kapitalanlage mit fondsgebundenen Rentenpolicen In die Rente mit 1 Million? Der Autor ist freiberuf- licher Finanzanalytiker in Stuttgart. Jede Woche veröffentlicht er in der FAZ einen Aufsatz über Geldanlagen. Außerdem unterstützt er Zahnärzte auf Honorarbasis bei der Gestaltung des Privatvermögens. www.looman.de Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber. 102 Praxis

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