Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2260) Panikstörungen können durch bestimmte Situationen ausgelöst sein, wie zum Beispiel durch das Spüren des eigenen Herzschlags bei Anstrengungen. Sie können aber auch urplötzlich aus heiterem Himmel auftreten. Die Attacken können wenige Minuten oder im Extremfall einige Stunden anhalten. Oft leben die Betroffenen danach in ständiger Furcht vor der nächsten Attacke. Frauen erkranken nach Angaben der „Neu- rologen und Psychiater im Netz“ zweimal häufiger als Männer an Panikstörungen. Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden daran. Die meisten Patienten ent- wickeln die Symptome zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr. Nach dem 45. Lebensjahr verlieren sich die Symptome oft. Generalisierte Angststörung: Bei der gene- ralisierten Angst treten die Symptome nicht anfallsartig auf wie bei Panikstörungen, son- dern sind allgegenwärtig. Die Betroffenen leben in ständiger Anspannung und Furcht. Sie haben Angst, dass sie selbst oder dass Angehörige oder Freunde schwer erkranken, dass sich ein Unfall ereignet, dass sie verarmen oder dass eine Katastrophe eintreten könnte. Möglich ist auch, dass sie nicht konkret sagen können, wovor sie Angst haben. Analog der Situation bei Panikstörungen kommt es in der Regel zu körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Zittern und Schwindel, aber auch zu Konzentrations- störungen, zu großer Nervosität sowie zu Schlafstörungen. Spezifische Phobien: Tiere wie etwa Katzen, Mäuse, Vögel, Spinnen oder allgemein Insekten können Auslöser spezifischer Pho- bien sein. Auch die weit verbreitete Höhen- angst gehört in diese Kategorie, ebenso wie die Flugangst oder die krankhafte Angst vor einem Arztbesuch, vor dem Anblick von Blut oder Verletzungen sowie die Spritzenphobie. Auch hier sind Frauen deutlich häufiger als Männer betroffen. Ein Trauma, die Gene oder Umweltfaktoren? Ursachen: Angststörungen entstehen nach derzeitiger Kenntnis auf dem Boden einer genetischen Prädisposition, die jedoch durch Das mulmige Gefühl in der Magengrube vor dem Zahnarztbesuch ist ein häufiges Symptom, hat aber keinen Krankheits- wert. Daraus sollte keine Krankheit abge- leitet oder bescheinigt werden. Es ist keine Indikation für eine unkritische Verordnung einer Vollnarkose, sondern kann durch eine Vielzahl effektiver, vor allem verhaltens- therapeutischer Therapiemaßnahmen ab- gebaut und somit eine zahnmedizinische Behandlung möglich gemacht werden. Auch medikamentöse minimale Sedie- rungsmaßnahmen mit kurz wirksamen, vor allem anxiolytisch wirkenden Benzo- diazepinen oder Lachgas sind Therapie- optionen. Etwa 5 bis 15 Prozent der Erwachsenen leiden jedoch an pathologisch hoher Zahnbehandlungsangst. Rund drei Pro- zent meiden den Zahnarztbesuch vollstän- dig. Die Betroffenen leiden an schweren zahnmedizinischen Folgeerkrankungen und deren psychosozialen Auswirkungen. In vielen Fällen weisen Patienten mit einer Zahnbehandlungsphobie weitere psy- chische Störungen auf. Hierzu zählen vor allem posttraumatische Belastungs- störungen, andere Angsterkrankungen und/oder depressive Störungen. Häufig fallen die Patienten dadurch auf, dass sie im Sinne eines Vermeidungsverhaltens kurzfristig die Behandlungstermine ab- sagen oder nicht erscheinen. Die über- wiegende Zahl der Betroffenen entwickelte die Erkrankung als Folge von emotionalem oder körperlichem Missbrauch sowie von sexueller Gewalterfahrung in der Kindheit oder in der Jugend. Die sexuelle Gewalt- erfahrung scheint dabei ein ganz wesent- licher Risikofaktor für die Entstehung und Persistenz von Zahnbehandlungsangst zu sein. Aufgrund der Komplexität der Störung bei diesen Patienten ist ein interdisziplinäres Vorgehen indiziert. Besteht seitens des Patienten die Bereitschaft, sich mit seiner psychischen Störung auseinanderzusetzen und liegt kein akuter Behandlungsbedarf vor, so ist eine Psychotherapie das geeig- nete Verfahren. Leider wird diese Option aber nicht von sehr vielen Patienten in Anspruch genommen. Häufig ist der Behandlungsbedarf aufgrund des jahrelangen Vermeidungsverhaltens so ausgedehnt, dass für die zahnärztliche Gebisssanierung eine Vollnarkose erforder- lich ist, oder es ist zu einem akuten ent- zündlichen Geschehen gekommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Vollnarkose die Angst nicht reduziert wird. Unter Umständen kann es aufgrund negativer Erfahrungen sogar zu einer Angstverstärkung im Hinblick auf die zahnärztliche Behandlung kommen. Die Differenzierung von Angst und Phobie ist daher im Hinblick auf Therapie und Prognose ganz wichtig. Die sorgfältige und gezielte Anamnese gehört daher zur Basisdiagnostik. Der hie- rarchische Angstfragebogen (HAF) kann bei der Graduierung helfen, alternativ wird die Bewertung der Angst mithilfe einer visuellen Analogskala empfohlen. Weiterführende Literatur: Maria Lenk, Hendrik Berth, Peter Joraschky, Katja Petrowski, Kerstin Weidner, Christian Hannig: Zahnbehandlungsangst – ein unterschätztes Symptom bei psychischen Grunderkrankungen (Fear of dental treatment – an underrecognized symptom in people with impaired mental health) Dtsch Arztebl Int 2013; 110(31–32): 517–22; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0517 Univ.-Prof. Dr. Dr. Monika Daubländer Leitende Oberärztin der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie Augustusplatz 2, 55131 Mainz daublaen@uni-mainz.de PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Rostock Schillingallee 35 , 18057 Rostock Aus Sicht der Zahnmedizin Pathologische Zahnbehandlungsangst 106 Medizin

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