Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2167) Akademische Interlektualhypertro- phie in der Hochschulmedizin Dr. medic-stom/RU Martin Klehmet, Bremen Selbstverständlich sollte ein Arzt oder Zahnarzt wissenschaftliche Erkenntnisse zur Basis seines Denkens und Handelns machen. Ein Wissenschaftler zeichnet sich aber dadurch aus, dass er sich in dem Bemühen, in seiner Wissen- schaft weiterzukommen, auch in anderen Bereichen suchend orientiert. Er stellt Hypothesen auf, die er dann entweder bestä- tigen kann oder sie verneinen muss. Auch Letzteres ist Teil einer wissenschaftlich wertvollen Erkenntnis. Nun kann von ernsthaften Medi- zinern nicht bestritten werden, dass die sogenannte evidence- based-medicine bei allen gerade- zu sensationellen Erfolgen in der Akutmedizin für die allermeisten chronischen Erkrankungen bis heute über keine wirklich nach- haltigen Therapiekonzepte ver- fügt. Stattdessen versucht sie oft durchaus erfolgreich, den Patien- ten mangels eigener Alternativen mittels lebensbegleitender medi- kamentöser Therapien „über die Runden zu bringen“. In dieser Si- tuation suchen einige Ärzte nach Auswegen aus dieser wenig be- friedigenden Situation. Nun lebt die „heilpraktische Kunst“ über mannigfaltige Naturheilverfahren von systemischem Denken und Handeln. Könnte das nicht viel- leicht auch für eine wissenschaft- lich orientierte Medizin (Prof. Köbberling, Uni Düsseldorf) ein Weg sein, über den sich das Nachdenken lohnt, anstatt ihn zu diffamieren? Die Charitè geht diesen Weg. Unter der Leitung von Prof. Michalsen bietet sie ihren Patienten naturheilkund- liche und in Deutschland als heil- praktische Methoden angesehene Therapien der komplementären und alternativen Medizin an wie Pflanzenheilkunde, Ernährungs- medizin, Ordnungstherapien, Bewegungstherapien, Schröpfen, Neuraltherapie, Blutegeltherapie, Wärmetherapie, Hydrotherapie, Balneotherapie, Öldispersions- bäder, Massagen, Akupunktur, Qi Gong, Homöopathie, Osteo- patie und Shiatsu. Sind diese Mediziner an der Charitè die Hütchen spielenden Jahrmarkt- mediziner des Kollegen Bertel- sen? Muss man im Übrigen den Heilpraktikern, dessen Abschluss- prüfung zum staatlich anerkann- ten Diplom von Ärzten abge- nommen wird (nach Bertelsen ein „Jodeldiplom“), ganz allge- mein abschaffen, nur weil es ein paar nicht ganz ethisch han- delnde Repräsentanten in dieser Berufsgruppe gibt? Dann müsste man alle Berufe auch die des Arztes und des Zahnarztes ab- schaffen. Betreiben wir bitte nicht ein Heilpraktikerbashing so wie wir auch kein Ärzte- oder Zahn- ärztebashing erleiden wollen. Es stellt sich zwangsläufig eine ganz andere Frage. Ist eine Pro- fessorin für Medizinethik, die laut ihres curriculum vitae höchstens fünf Jahre klinisch gearbeitet hat, die Richtige, um in Bezug auf die Arbeit von Heilpraktikern als „ge- genwärtigen Irrsinn“ zu dekla- mieren? Sind die Ethiker, die Wis- senschaftstheoretiker, die Psy- chologen und die Juristen des Münsteraner Kreises wirklich die kompetenten Experten, um im Rahmen eines sogenannten „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ ohne ein einziges

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