Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2172) Unverschämt, selbstherrlich, nichtwissend, arrogant! Dr. Marina Erler, Weißenborn Ich möchte vorausschicken, dass ich Zahnärztin und nicht heil- praktisch tätig bin. Eine Experten- gruppe ohne Heilpraktiker will den anderen Berufsstand ab- schaffen. Das ist unverschämt, selbstherrlich, nichtwissend und arrogant. Was würde die Müns- teraner Gruppe sagen, wenn die Berufsverbände der Heilpraktiker eine Expertengruppe zu medizi- nischen bilden würde wie zum Beispiel die Cholesterinlüge? Ich habe den Weg einer meiner Patientinnen, inzwischen eine junge Heilpraktikerin, aus Neu- gierde verfolgt: Drei Jahre Ausbil- dung an einer Privatschule auf ei- gene Kosten, zum Abschluss eine schriftliche Prüfung mit den sel- ben Prüfungsfragen der Medizin- studenten aus dem Physikum und danach noch eine eintägige praktische Prüfung mit Patienten. Nach Schnellbesohlung sah mir diese Ausbildung nicht aus. Die Kammerkurse mit alternativen Inhalt, z. B. unterstützende Paro- therapie, sind in Sachsen immer ausgebucht. Es scheint viele Kollegen zu geben, die anders denken als Herr Dr. Hans-Werner Bertelsen. Solchen arroganten Unfug habe ich lange nicht mehr gelesen. Aber er als Zahnarzt fühlt sich fachlich kompetent über Physiotherapeuten und deren heilpraktische Tätigkeit zu entscheiden. Die Veröffentlichung des Interviews ist weit unter dem Niveau einer Fachzeitschrift. Viel- leicht sollte Herr Dr. Bertelsen mal Herrn Andreas Michalsen, Professor für klinische Naturheil- kunde an der Charité, konsultie- ren und Nachhilfestunden bean- tragen oder soll auch dieser Lehr- stuhl abgeschafft werden? Mir selbst haben Osteopathen meine schweren Rückenprobleme hei- len geholfen und mich vor einem komplizierten neurochirurgischen Eingriff bewahrt, übrigens ganz ohne Nebenwirkungen. Den Beruf des Osteopathen gibt es in Deutschland nicht, dafür sorgen solche Leute wie in der Münsteraner Gruppe. In Groß- britannien und in den USA ist im Gegensatz zu Deutschland bei jeder komplizierten Entbin- dung eine Hebamme und ein Osteopath für das Neugeborene da. „Es gilt immer noch, wer heilt hat recht.“ \ 18 Leserforum: Zahnärzte als Heilpraktiker Wir empfehlen mehr Sachlichkeit Dr. Bernadette Burghartswieser, Dr. Bernd Burghartswieser, Neustadt/W. Lieber Experte Dr. Hans-Werner Bertelsen, nach Ihren erschreckend aggres- siven und herablassenden Aus- führungen über die Berufsgruppe der Add-on Zahnärzte (Autoren dieses Leserbriefes gehören nicht dazu!) tippen wir auf Überbelas- tung des Leber-/Gallenblasen- Meridians (TCM-Meridiane ba- sieren auf Jahrtausende alter empirisch basierter Medizin) und empfehlen eine evidenzbasierte schulmedizinische Entlastungs- behandlung. Wenn sich Ihr Ver- ständnis von ganzheitlichem zahnärztlichem Arbeiten wirklich in der Kernaussage: „Ich behandle nicht nur den Oberkiefer, sondern auch den Unterkiefer meiner Pa- tienten“ gipfelt, dann ist dies ein medizinisches Armutszeugnis für Sie selbst. Für ganzheitlich zahn- ärztlich arbeitende Kolleginnen und Kollegen, die sich intensiv mit Immunologie, Epigenetik, In- flammaging, Immunoseneszenz, Biofilmmanagement, Entzün- dungs-Labordiagnostik, ortho- molekularer Medizin, Ernäh- rungswissenschaften und deren Auswirkungen, maßgeblich an- gestoßen durch orale Biofilm- infektionen, auseinandersetzen ist Ihr Artikel, zurückhaltend for- muliert, eine fachliche Zumutung. Wie weit zahnärztliche Verant- wortung in den allgemeinmedi- zinischen Bereich hineinreicht, wird uns unter anderem durch die seit vielen Jahren beachtens- werten Veröffentlichungen von Professor Ulrich Schlagenhauf vor Augen geführt. Mit der Erkenntnis, dass orale Biofilmerkrankungen wie Paro- dontitis, als „Multisystemerkran- kungen“ bezeichnet werden und damit wissenschaftlich ganzheit- liche Behandlungsstrategien er- fordern. Professor Schlagenhauf steht nicht im Verdacht „esote- rischen Mumpitz“ zu verbreiten oder die „Sektendichte“ im Land zu erhöhen. (Professor Schlagen- hauf war von 2006–2011 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie und von 2014 bis 2016 Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde). Seine Veröffentlichung in Zahn- medizin up2date (Thieme-Ver- lag) 2017;11(4);387–405 „Die Rolle der Ernährung in der Ätiolo- gie parodontaler Erkrankungen“ können wir Ihnen nur wärmstens empfehlen. Wir hoffen Ihre un- sachlichen Ausführungen beruhen auf einer momentanen emotio- nalen Überlastung. Bleibt abzu- warten, ob die Empfehlungen des Expertengremiums zum Wohle unserer Patienten letzt- endlich auf rationaler wissen- schaftlicher Abwägung basieren. In Anbetracht Ihrer Ausführun- gen zum Thema „ganzheitliche Zahnheilkunde“ müssen wir lei- der etwas abgewandelt zitieren: „Si tacuisses, expertus mansisses“ oder „Wenn Du geschwiegen hättest, wärst Du ein Experte geblieben“. \ An dieser Stelle möchten wir uns für die vielen Leserreaktionen bedanken. Die hier veröffentlichten Beiträge stellen eine Auswahl dar, um die geführte Kontroverse möglichst in ihrer Bandbreite abzudecken. Es liegen der Redaktion bereits weitere Leserbriefe vor, die in den kommenden Ausgaben veröffentlicht werden. Wir freuen uns auf Ihre Reaktionen. Ri
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