Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2194) Alles beginnt mit der vergeblichen Suche nach einem Zahnarzt: Deamontes Mutter suchte verzweifelt nach einem Zahnarzt für Deamontes jüngeren Bruder DaShawn. Der Zehnjährige litt unter starken Schmerzen – aber anders als sein großer Bruder litt er nicht leise. Keiner der Jungen war jemals von einem Zahnarzt routinemäßig unter- sucht worden, denn Routinebesuche wer- den von dem Gesundheitsfürsorgeprogramm Medicaid nicht abgedeckt. Unter Mithilfe einer Anwältin und mehrerer Unterstützer aus dem Gesundheitsbereich fand Alyce Driver schließlich einen Behandler, der Medicaid unterstützt und DaShawn einige Monate später in Augenschein nehmen wollte. Dann musste plötzlich Deamonte ins Krankenhaus eingeliefert werden. Zahn- extraktion und Gehirn-OP kamen für ihn zu spät. Das war 2007 und die renommierte Medizin- journalistin Mary Otto recherchierte den Fall für die Washington Post. Jetzt hat Otto die Geschichte von Deamonte Driver zum An- lass genommen, um die Zusammenhänge von Mundgesundheit und sozialer Un- gleichheit in den USA zu analysieren. „Teeth. The Story of Beauty, Inequality, and the Struggle for Oral Health in America“ heißt ihr Buch, das bislang nur auf Englisch erschienen ist. Es zeigt, dass der Tod eines Zwölfjährigen auch Folge eines Systems ist, in dem Zahngesundheit Privatsache und nicht Teil einer allgemeinen Gesundheits- versorgung ist, in dem Zahnmedizin und Allgemeinmedizin komplett voneinander abgekoppelt sind und in dem zwischen Zahnarzt und armem(!) Patient ein schwer zu überwindender Graben verläuft. 49 Millionen ohne Zugang zur Grundversorgung Denn das Gesundheitsfürsorgeprogramm Medicaid, das in solchen Fällen eigentlich greifen sollte, ist überbürokratisiert und un- terversorgt. Viele Zahnärzte nehmen keine Patienten an, die über Medicaid kommen – aus verschiedenen Gründen: Die Abrech- nung wird als kompliziert und frustrierend empfunden, die Behandlung bringt auch weniger ein als bei einem Privatzahler. Foto: [M] SG Pan - iStockphoto.com / Igor Gromoff – Fotolia All American Smile Deamonte Driver aus Maryland war zwölf Jahre alt, als er starb. Todesursache: ein unbehandelter Zahnabszess. Die Entzündung verbreitete sich bis ins Gehirn des Jungen. Seine Mutter konnte sich keine Versicherung für Zahnbehandlungen leisten – über 114 Millionen US-Amerikanern geht es ebenso. In ihrem Buch „Teeth“ zeichnet die Journalistin Mary Otto ein zahnmedizinisches Porträt der USA – einem Land mit gewaltigen Versorgungslücken. 40 Gesellschaft

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=