Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2210) Clindamycin wurde bereits in den 1960er- Jahren als Nachfolger des Lincomycins entwickelt [Magerlein et al., 1966]. Auch 50 Jahre später erweist es sich bei aus- gewählten Indikationen als wertvolles The- rapeutikum, etwa zur Behandlung von Patienten mit Penicillinallergie. In der Zahnheilkunde wird es häufig verwendet, mehr als 60 Prozent aller Verordnungen in Deutschland stammen aus dem zahnärzt- lichen Bereich [Halling, 2016]. Dies steht im Widerspruch zu den offiziellen Empfeh- lungen, die als Mittel der ersten Wahl Penicilline aufführen [Lode et al., 2006; Schindler & Stahlmann, 2014]. Auch im internationalen Vergleich ist die hohe Ver- ordnungsrate von Clindamycin im zahn- medizinischen Bereich auffällig, denn in anderen Ländern liegt der Anteil in der Regel deutlich unter 10 Prozent [Segura- Egea et al., 2017]. Dies nehmen wir zum Anlass, dieses Arzneimittel aus aktueller Sicht näher zu betrachten und seine heutige Position zu bestimmen. Wirkspektrum und Resistenz Clindamycin hemmt die bakterielle Protein- synthese durch Beeinflussung der Riboso- men, woraus ein bakteriostatischer Effekt resultiert. Bei sehr empfindlichen Stämmen und hohen Wirkstoffkonzentrationen kann es auch bakterizid wirken. Mehrere Mecha- nismen sind bekannt, durch die Erreger re- sistent gegen Clindamycin werden können. Am bedeutsamsten ist die Veränderung in der ribosomalen RNA durch Methylierung von Adenin. Dieser Mechanismus ist meist Plasmid-kodiert und kann zum Beispiel bei klinisch wichtigen Erregern wie S. aureus, S. pyogenes oder B. fragilis vorkommen. Zum Wirkungsspektrum gehören gramposi- tive Bakterien und Anaerobier. Clindamycin besitzt eine gute Aktivität gegen Staphylo- kokken, auch wenn diese Penicillinase bil- den. Die Methicillin-resistenten S.-aureus- Stämme (MRSA), mit denen heute auch im ambulanten Bereich gerechnet werden muss, sind allerdings ganz überwiegend auch gegen Clindamycin resistent [Walter et al., 2017]. In der Zahnmedizin spielt vor allem die Aktivität gegen Anaerobier in Mischinfektionen eine Rolle. Auch bei eini- gen Anaerobiern (zum Beispiel B. fragilis) bestehen jedoch häufig hohe Resistenz- raten, die regional sehr unterschiedlich sein können. Es gibt nur wenige aktuelle Publikationen aus Deutschland, die eine Beurteilung der Resistenzsituation von Erregern odontogener Infektionen ermöglichen. Eine retrospektive Auswertung der bakteriellen Erreger einer odontogenen Sinusitis maxillaris wurde in Köln durchgeführt [Zirk et al., 2017]. Vor- herrschend wurden grampositive anaerobe Erreger nachgewiesen. Das Parenteralpeni- cillin Piperacillin/Tazobactam zeigte die beste antibakterielle Aktivität (93 Prozent empfindlich), 80 Prozent wurden durch Ampicillin/Sulbactam erfasst und 50 Prozent durch Clindamycin. Auch in einer weiteren Studie bei schwerwiegenden odontogenen Infektionen wurden durch Ampicillin/Sul- bactam mehr Erreger erfasst, als durch Clindamycin (99 Prozent versus 77 Prozent) [Zirk et al., 2017]. Resorption und Elimination Die empfohlene Dosierung beim Erwach- senen beträgt 1,2 bis 1,8 g oral täglich auf- geteilt in vier Einzeldosen. Clindamycin wird Arzneimittelkommission Zahnärzte 50 Jahre Clindamycin Ralf Stahlmann, Juliane Gösling, Christoph Schindler Clindamycin wird im zahnmedizinischen Bereich häufig angewendet, obwohl es relativ häufig mit unerwünschten Wirkungen verbunden ist. Die Studienlage ist mager, es gibt nur wenige umfangreiche klinische Studien – Anlass für eine Bestandsaufnahme. Foto: zm-sf 56 Zahnmedizin
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