Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2237) Einige Tage später stellte sich die Patientin erneut in unserer Ambulanz mit einer ausge- prägten Wundheilungsstörung, einer be- ginnenden Superinfektion sowie einer be- ginnenden Weichgewebenekrose vor. Nach erneuter stationärer Aufnahme und Wiederaufnahme der i.v. Antibiotikathera- pie (Unacid R ) erfolgten in Vollnarkose eine Wundrevision und die Reposition der Nasenbeinfraktur. Zusätzlich erfolgte – mit Ausnahme der dentes canini – die operative Entfernung der tief zerstörten und nicht erhaltungswürdigen Restbezahnung des Ober- und des Unterkiefers in Kombination mit einer modellierenden Osteotomie sowie einem plastischen, speicheldichten Wund- verschluss. Basierend auf unseren bisherigen Erfahrun- gen bei Patienten mit Crystal-Meth-Abusus orientierten wir uns bezüglich des post- operativen Prozederes am Management von MR-ONJ-Risikopatienten: also Fortfüh- rung der i.v. Antibiose (Unacid R ), weiche Kost und Prothesenkarenz. Die histopatho- logische Aufarbeitung der entnommenen Knochenproben zeigte Anteile von nekro- tischem Knochen, obwohl weder in der kli- nischen Inspektion noch in der Bildgebung (OPG und CT) Anzeichen für eine Knochen- nekrose zu finden waren. Am siebten postoperativen Tag konnte die Patientin unter Fortführung der oralen Anti- biose in die Nachsorge entlassen werden. Am 21. postoperativen Tag erfolgte bei stabilen Wundverhältnissen die intraorale Nahtentfernung. Im weiteren Verlauf steht nun die kaufunktionelle und prothetische Rehabilitation der Patientin an. \ Der Konsum der Mode- und Designer- droge Crystal Meth begann in den 90er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Kalifornien und breitete sich von dort über die USA aus [Mattson, 2014]. Chemisch handelt es sich um das bitter schmeckende, weiße, kristalline Salz des Methamphetamin Hydrochlorids ((S)-N-Methyl-1-Phenyl-Pro- pan-2-Amin). \ Anfang 2000 gelangte Crystal Meth über die Tschechische Republik nach Europa und verbreitete sich von dort über ganz Ost-, Mittel- und Westeuropa aus [De-Carolis et al., 2015]. \ Aktuell gibt es weltweite ungefähr 35 Millionen Konsumenten [Rommel et al., 2016a]. Neben dem Begriff Crystal Meth sind weitere Namen für illegale Drogen auf Methamphetaminbasis in Gebrauch, zum Beispiel „Crystal“, „Meth“, „Ice“, „Krokodil“, „Crank“, „Crypto“ und „Fire“. \ Die kristallinen Formen wie Crystal Meth werden überwiegend geraucht, während zum Beispiel „Krokodil“ intravenös injiziert wird [Mattson, 2014; Basin et al., 2014; De-Carolis et al., 2015]. Zudem wird Crystal Meth häufig mit anderen Drogen kombi- niert, etwa als „Croak“ beziehungsweise „Shabu“ (mit Kokain) und Twisters (mit Crack) [Mattson, 2014]. \ Neben dem extrem hohen Abhängig- keitspotenzial sowie einer Vielzahl an inter- nistischen, neurologischen und psychia- trischen Nebenwirkungen wird als relevante Nebenwirkung im oralen und dentalen Bereich über den „Meth Mouth“ berichtet, der durch Xerostomie, ausgeprägte kariöse Läsionen, Schmelzerosionen, Knirschen und Bruxismus, Muskeltrismus und Kieferklemmen beziehungsweise Kiefersperren gekennzeich- net ist [De-Carolis et al., 2015; Rommel et al., 2015; 2016a,b]. \ Einzelne Case-Reports berichten zusätzlich über die Entwicklung von oralen Knochen- nekrosen nach langjährigem Crystal-Meth- Missbrauch, die klinisch der Antiresorptiva- beziehungsweise der Medikamenten-asso- ziierten Osteonekrose der Kiefer (MR-ONJ) ähneln [Pabst und Werkmeister, 2016]. \ Basin et al. berichteten über Knochen- nekrosen bei Patienten nach „Krokodil“ (Desomorphin)-Missbrauch in Russland, was in weiteren Berichten bestätigt wurde [Basin et al., 2014; Poghosyan et al., 2014; Hakobyan und Poghosyan, 2017]. Dies führte zu der Hypothese, dass „Crystal Meth“ und andere Methamphetamin- derivate möglicherweise eine weitere Ursache für die Entwicklung der MR-ONJ darstellen könnten. „Crystal Meth“

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=