Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2253) antimikrobielle Peptide eine große Rolle. Zu dieser Gruppe gehören die humanen Defensine. Diese Moleküle werden haupt- sächlich durch das Epithel der Mundhöhle sekretiert und wirken bakteriozid. Humane Defensine kommen in Epithelien unterschied- licher Gewebe (Mundhöhle, Urogenitalsystem, Lunge, Darm, Haut) und im Speichel vor. Außerdem sind sie in oralen Läsionen (Reiz- fibrom, Leukoplakien, orale Plattenepithel- karzinome) gefunden worden. Diese Beobachtungen haben die Frage aufgeworfen, ob Defensine noch andere physiologische Funktionen neben ihrer anti- mikrobiellen Wirkung haben könnten. In der Tat hat man Effekte auf Zellwachstums- ebene finden können. So kommt es zu einer erhöhten Zellproliferation gingivaler Epi- thel- sowie oraler Plattenepithelkarzinom- zellen, wenn sie mit humanen Defensinen stimuliert werden. Wird die Molekülstruktur der Defensine ana- lysiert, findet man eine große Ähnlichkeit mit dem epidermalen Wachstumsfaktor (EGF). Dieses Protein steuert das Wachstum von Zellen über die Bindung an seinen Re- zeptor (EGFR). Dieser Rezeptor ist nun in der Tumorgenese von eminenter Bedeutung. Wird der EGF-Rezeptor dauerhaft stimuliert, kommt es zu einer ungeordneten Zellproli- feration, die zur Entstehung von Tumoren führen kann. Können humane Defensine den EGF-Rezeptor aktivieren und darüber die Zellvermehrung beeinflussen? Um diese Frage zu klären, wurde die Aktivierung des EGF-Rezeptors bei oralen Plattenepithelkar- zinomzellen nach Stimulation mit humanen Defensinen (DEFA1/3; DEFA4; hBD-1/-2/-3) analysiert. Alle Defensine waren in der Lage, den Rezeptor zu aktivieren und damit die Zellproliferationsrate zu steigern. Die ambivalente Rolle der Defensine Es kommt also zu einem Teufelskreis: Bakterien infizieren den Wirt. Dieser reagiert darauf mit der Sekretion antimikrobieller Peptide. Außerdem kommt es zu einer Inflammation, die ebenfalls zu einer ver- mehrten Produktion von Defensinen führt. Diese Moleküle wirken nun gegen die Bak- terien, aber eben auch als Strukturanaloge des epidermalen Wachstumsfaktors (EGF), womit sie über die Bindung an dessen Re- zeptor (EGFR) die Zellen zur vermehrten Proliferation anregen. Da sich die Tumor- zellen selbst ebenfalls an der Wirtsabwehr beteiligen, synthetisieren sie selbst dauer- haft ihren eigenen Proliferationsstimulus. Bei chronischer Entzündung lässt sich nun leicht erklären, welche Mechanismen zur Tumorgenese greifen, nämlich die perma- nente Aktivierung des EGF-Rezeptors durch die dauerhafte Sekretion von Defensinen. Somit könnte die Gruppe der Defensine einen molekularen Link auf der Achse „Infektion – Inflammation – Turmorgenese“ darstellen. Bei logischer Betrachtung müsste es jetzt unweigerlich zu einer Krebserkrankung infolge einer Parodontitis kommen. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ein Grund dafür könnte eines der Defensine sein, das noch über eine weitere wichtige Funktion ver- fügt: Das humane β -Defensin-1 (hBD-1) wirkt zusätzlich als Tumorsuppressor. Dadurch entfaltet es antiproliferative Effekte auf Zellen. Es ist also ein Antagonist bezüg- lich proliferativer Prozesse. Solange hBD-1 präsent ist, können sich die Zellen trotz Aktivierung über den EGF-Rezeptor nicht ungeordnet vermehren. Es ist also von eminenter Bedeutung, dass ein Gleich- gewicht zwischen hBD-1 und den anderen Defensinen besteht, um eine Tumorinitiation zu verhindern. Dr. rer. nat. Tatjana Hoppe Prof. Dr. Søren Jepsen PD Dr. rer. nat. Dipl.-Biol. Jochen Winter Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde Universität Bonn Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn jochen.winter@ukbonn.de Hoppe T, Kraus D, Novak N, Probstmeier R, Frentzen M, Wenghoefer M, Jepsen S, Winter J: Oral pathogens change proliferation proper- ties of oral tumor cells by affecting gene expression of human defensins. Tumor Biology 2016 Aug 1. 37(10): 13789–13798. \ Danksagung: Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen der Klinischen Forschergruppe 208 „Ursachen und Folgen von Parodontopathien – genetische, zellbiologische und biomecha- nische Aspekte“ mit Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Medizinische Fakultät der Universität Bonn durchgeführt. file:///C:/Users/B.Thiel/Downloads/fotolia_143477748.jpg www.gerl-dental.de Termine 06.10.2017 Berlin 06.10.2017 Essen 13. & 14.10.2017 Köln 20.10.2017 Dresden 27.10.2017 Kiel 17.11.2017 Würzburg GERL. HAUSMESSEN

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