Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 107, Nr. 20, 16.10.2017, (2324) arzt-Teams und regelmäßige Zahnarzt- besuche die Wichtigkeit von Zahngesund- heit und erhöhen durch persönliche Motiva- tion und Feedback die Chance auf gesunde Kinderzähne. Ein Algorithmus für eine bessere Zahngesundheit? PlayBrush hingegen funktioniert gänzlich anders, verspricht aber ähnliche Erfolge. PlayBrush soll Spaß machen, die Zahn- gesundheit erhöhen und Eltern unter- stützen. Ein „spezieller Algorithmus“ und ein Belohnungssystem sollen sicherstellen, dass Kinder regelmäßig, lange genug und überall im Mund putzen. Korrekt verwen- det, ermutigt PlayBrush Kinder, alle Zähne im Mund zu erreichen. Verschiedene Putz- bewegungen werden geübt und auch die Putzgeschwindigkeit wird bewertet. Trotz- dem setzt PlayBrush eine körperliche und kognitive Koordinationsfähigkeit heraus, die für jüngere Kinder schwierig ist und auch bei älteren Kindern Übung benötigt. Heiß- luftballons fliegen lassen, Bilder ausmalen und Zahnmonster jagen macht zwar Spaß, lenkt aber ab. Die sensorische Erfahrung wird durch eine Verfolgungsjagd auf dem Bildschirm ersetzt, was die Verletzungs- gefahr bei übereifrigen Spielern erhöhen kann. ´ Wenn man zehn Sekunden lang entsprechend den Anweisungen geputzt hat (also je nach Spiel entweder entsprechend der angezeigten Richtung oder bei freier Richtungswahl korrekt geputzt hat), dann erscheint ein „Gut geputzt!”, um die Kinder mit positivem Feedback zu motivieren. Paul Varga, Playbrush Co-Founder/Managing Director PlayBrush übersieht, dass Eltern eine zentrale Rolle bei der Zahngesundheit ihrer Kinder spielen und verspricht ihnen Entlastung und Unterstützung. Neben einer verbesserten Putz-Motivation aufseiten des Kindes, soll es Eltern durch integrierte Statistiken möglich sein, die Putzerfolge ihrer Kinder zu über- prüfen. Nichtsdestotrotz werden sie weder an das abendliche Nach- beziehungsweise Sauber-Putzen von allen Seiten erinnert noch können sie ihre Vorbildfunktion wahr- nehmen, positive Normen ums Zähne- putzen schaffen oder das Zähneputzen an- zuleiten, da Kinder auf dem Smartphone Zahnmonster jagen, statt ihren Eltern beim Zähneputzen zuzuschauen. Und obwohl Playbrush mit einem cleveren Algorithmus hinter den Spielen lockt, der zum Erreichen aller Zähne führen soll, lässt sich das Tool austricksen: Da PlayBrush nicht erkennen kann, wo sie verwendet wird, kann man beispielsweise auch durch Schrubben auf dem Badezimmerspiegel Punkte sammeln. Diese Tatsache wiederum lässt einen zweifeln, ob PlayBrush tatsäch- lich halten kann, was sie verspricht: eine verbesserte Zahngesundheit durch effektive Zahnreinigung. Zwar schult PlayBrush die handmotorischen Fähigkeiten, jedoch wird keine Systematik geübt. Das Erlernen einer effektiven Zahn- putzsystematik, die die Zahngesundheit lebenslang unterstützt, bleibt bei der Play- Brush daher leider aus. Dies wirft Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit des Gadgets auf. Lässt die Begeisterung für das Gadget erst einmal nach, kann das Zähneputzen tatsächlich als langweiliger als je zuvor emp- funden werden – und das systematische Sauber-Putzen aller Zahnflächen wurde nicht genügend geübt, um eine selbst- ständige, effektive Reinigung ohne Aufsatz und Anleitung erwirken zu können. Trotzdem macht PlayBrush Spaß und be- sonders putzbegeisterte Kinder können mit PlayBrush für ihre Mühen belohnt werden. Außerdem kann PlayBrush als Motivations- hilfe für Kinder eingesetzt werden, die eine Starthilfe in Sachen Zähneputzen brauchen. Vor allem, wenn sich Zähneputzen schon in einen Streitpunkt verwandelt hat, verspricht PlayBrush Abhilfe: „Keine Tränen mehr, kein Stress im Badezimmer!“, heißt es auf der Firmenhomepage. Statt auf den oft ablenkenden Aspekt der „Gamification“ zu setzen, möchte ich auf die bewährten Tipps der Jugendzahnpflege verweisen, damit Kinder die Zahnputz- Systematik internalisieren: Routine hilft Kindern, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Zähneputzen direkt nach dem Frühstück, direkt nach dem Abendessen oder vor dem Zubettgehen kann helfen, dem bekannten „Ja Mama, mach ich später!“ aus dem Weg zu gehen. Eine Gutenachtgeschichte als Belohnung für das Zähneputzen kann bei der Überzeu- gungsarbeit helfen, ebenso wie personali- sierte oder selbstausgesuchte Zahnbürsten und -pasten. Wenn Zähneputzen mit Kuscheleinheiten und dem liebevollen Blick der Eltern beim Nachputzen ausgestattet wird, verwandelt sich das Zähneputzen schnell in eine schöne statt stressige Erfahrung. Fazit PlayBrush ist genau das, was es verspricht: eine Spiel-Bürste. PlayBrush kann motivieren, macht Spaß und kann helfen, Zahnputz- Verweigerungsphasen spielerisch zu lösen. Trotzdem kann PlayBrush keinesfalls Eltern in Sachen Zahngesundheit ersetzen. Eltern sollten weiter ihre Vorbildfunktion erfüllen, können Kinder beim Erlernen der korrekten Zahnputzsystematik anleiten und unter- stützen durch positive Bestärkung und Lob – wie es eben nur Eltern können. Da PlayBrush keine effektive Zahnputzsystematik lehrt, die auch ohne Aufsatz zu definitiv Plaque- freien Zähnen führt, sollte PlayBrush als Spielzeug, jedoch nicht als Zahnputz-Coach verwendet werden. Wir empfehlen KAIplus als effektive, ziel- sichere und leicht verständliche Zahnputz- systematik, die Spaß am Zähneputzen ver- mittelt. Laura von Nordheim Gesundheitspsychologin Referentin der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) Foto: privat Digitale Mundgesundheitsförderung 34
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