Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 107, Nr. 20, 16.10.2017, (2342) Ziel von Hitler und der NSDAP war es, die vorhandenen gesellschaftlichen und staat- lichen Organisationen zu übernehmen und entsprechend ihrer Ideologie auszurichten, also Staat und Gesellschaft in Deckung zu bringen und diese neue Einheit nach dem Prinzip der Parteigliederungen der NSDAP zu gestalten und mit linientreuen Funk- tionären zu besetzen. Im Zentrum der Ideologie der NSDAP standen rassen- und bevölkerungspolitische Ziele und die neue Definition des nationalsozialistischen Sozial- staats. Bindeglied dieses nach den Prinzipien des „nationalen Sozialismus“ ausgerichteten Sozialstaates sollte die völkisch und rassisch ausgerichtete Solidarität innerhalb der Ge- meinschaft aller „erbgesunden Volksgenos- sen“ sein – mit weitgehender Aufhebung der Klassenschranken, mit einer Ausdehnung der gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen und mit einem Ausbau der gesetzlichen Krankenversicherung, was ein Garant für den inneren Frieden sein sollte. Die soziale Verheißung von Hitler als „Heilsbringer“ für das deutsche Volk sollte eine „Volksgemein- schaft aller Stände, Berufe und Klassen“ sein, die soziale Geborgenheit, politische Gerechtigkeit und nationale Erneuerung der deutschen Gesellschaft versprach. Ideo- logisch wurde von der NSDAP genau defi- niert, wer aus dieser „Volksgemeinschaft“ ausgegrenzt und vernichtet werden sollte. Nach diesen Prinzipien wurde das gesamte deutsche Gesundheits- und Sozialwesen neu geordnet und umgestaltet. Volksgesundheit statt individuelles Patientenwohl Federführend bei dieser Umgestaltung war der „Nationalsozialistische Deutsche Ärzte- bund“ (NSDÄB), der schon 1929 als „ärzt- liche Kampforganisation“ innerhalb der NSDAP neben SA und SS gegründet wurde und dem ab 1930 neben Ärzten auch Zahn- und Tierärzte sowie Apotheker beitreten konnten. Der NSDÄB setzte sich zum Ziel, nicht nur die Ärzte- und Zahnärzteschaft, sondern das gesamte Gesundheitswesen dem NS-Führungsanspruch zu unterwerfen und unter der Führung seiner Mitglieder radikal neu auszurichten. Statt dem indivi- duellen Patientenwohl waren nun „Rassen- hygiene“ und „Volksgesundheit“ die Ziele medizinischen Handelns. Anfang 1933 for- mulierte der NSDÄB im „Deutschen Ärzte- blatt“ folgende Ziele: 1. Dem „Volkskörper“ dienen – und nicht einer Fachgruppe, 2. Vereinfachung der Gebührenordnung, 3. Umbau des unhaltbaren Kassenarztwe- sens, 4. Zusammenfassung des Gesundheitswesens und der Ärzte in einer Reichsärzteordnung, 5. Reform des Medizinstudiums und des Berufungswesens an den Universitäten und 6. Abbau der Riesengehälter einzelner Ärzte. Diese Aufgabe übertrug Adolf Hitler 1933 dem Vorsitzenden des NSDÄB, dem Arzt Dr. Gerhard Wagner, der zum „Beauftragten des Führers für Volksgesundheit“ und Leiter Gleichschaltung der Zahnärzteschaft nach 1933 Im Dienste des Volkskörpers Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam es zu einer radikalen Umgestaltung des Gesundheitswesens gemäß der NS-Ideologie. Über die Rolle der zahnmedizinischen Standesorganisationen zwischen Rassenhygiene, Führer- Bekenntnis und Pflichtmitgliedschaft in den zwölf Jahren Diktatur – und wie die Zahnärztlichen Mitteilungen zum NS-Kampfblatt wurden. Voll auf Kurs: Die Zahnärzteschaft war in der NS-Zeit ideologisch an vorderster Front dabei – und stiftete gar ein Flugzeug (Berlin-Tempelhof, 1938). Foto: zm-Archiv 52 Gesellschaft
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