Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 107, Nr. 20, 16.10.2017, (2344) kerinnen die Kassenzulassung, wenn deren Ehemänner für die wirtschaftliche Sicher- stellung der Familie sorgen konnten. Die NS-Ideologie sah die „Ausschaltung“ der Frauen aus den meisten Berufen vor, da sie für die „Vermehrung und Erhaltung der Art und Rasse des deutschen Volkskörpers“ vor- gesehen waren. Die Gründung der KZVD Dem „Führergedanken“ gemäß wurde dann am 27. Juli 1933 innerhalb des RV die „Kassenzahnärztliche Vereinigung Deutsch- lands“ (KZVD) gegründet – als öffentlich- rechtliche Kontroll-, Überwachungs- und Disziplinierungsstruktur des NS-Staates mit Zwangsmitgliedschaft, Hoheitsfunktionen, Pflichtfortbildung, Standesgerichtsbarkeit und Honorarverteilungsmonopol. Die KZVD wurde damit wie die am 2. August – eben- falls innerhalb des Hartmannbunds – neu gegründete „Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands“ (KVD) alleiniger Träger der Beziehungen zu den Krankenkassen und zur Körperschaft des Öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Reichsarbeitsministers unter- stand. Die Kassenzahnärzte und Kassenärzte bekamen damit einerseits mehr Rechte wie etwa das Aushandeln von Kollektivverträgen und Honorarvereinbarungen sowie das Regeln der Zulassungsbestimmungen, aber andererseits mehr Pflichten wie vor allem den „Sicherstellungsauftrag“ und den Ver- zicht auf das Streikrecht. Im Mittelpunkt des neuen Zulassungsrechts standen neue nationalsozialistische Grundsätze: Der Arzt und Zahnarzt sollte nicht nur fachlich geeig- net, sondern auch ein „würdiges national- sozialistisches Glied in der Volksgemein- schaft“ sein. Um das zu erreichen, wurde ab Oktober 1934 die „Berufsstandespflicht der deutschen Zahnärzteschaft“ eingeführt, die vom Grundsatz her eine weltanschauliche, wehrsportliche und sozialpolitische Schulung war und von deren Teilnahme die Zulassung als Kassenzahnarzt abhängig gemacht wurde. Amtsblatt der KZVD wurden die „Zahnärzt- lichen Mitteilungen“, die Organ und Eigen- tum des RV waren und die ab Januar 1934 zum NS-„Kampfblatt“ umstrukturiert wur- den. Zum „Reichsführer“ und Leiter der KZVD wurde der „Reichszahnärzteführer“ Ernst Stuck ernannt, zum Geschäftsführer der KZVD und des RV und zum persönlichen Referenten des „Reichszahnärzteführers“ der Jurist Dr. rer. pol. Robert Venter, der schon seit 1929 freier Mitarbeiter des RV war. Die Leitung der KZVD erfolgte bis in die Untergliederungen in den einzelnen Län- dern in Personalunion und in Verwaltungs- gemeinschaft mit der Führung des RV, die in zehn Landesstellen und 28 Bezirksstellen aufgeteilt war. Die KZVD wurde Rechtsnach- folger der Abrechnungsstellen der Bezirks- gruppen und Unterverbände des RV, deren Betriebskapital im Rahmen der Überleitung an die KZVD ging. Da es bis zur Gründung der KZVD im Juli 1933 innerhalb des RV noch keine lokalen KZVen gab, waren bis zu diesem Zeitpunkt für den Entzug der Kassen- zulassung von jüdischen und marxistischen Zahnärzten und Zahntechnikern ausschließ- lich die 1932 infolge der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 innerhalb des Hart- mannbunds gegründeten lokalen KVen zu- ständig. Zahnärzte und Zahntechniker, die zur Tätigkeit bei den Krankenkassen zuge- lassen werden wollten, mussten sich ab Juli 1933 in ein Zahnarztregister eintragen, das bei den Oberversicherungsämtern geführt wurde, bei denen die Register und die Registerbezirke die gleichen waren wie bei den Ärzten. Jüdische und marxistische Zahnärzte und Zahntechniker waren davon ausgeschlossen. Diese neuen Standesorga- nisationen dienten auch dazu, alle Ärzte und Zahnärzte statistisch zu erfassen, zentral zu überwachen und in die planwirtschaftlichen Aufgaben und Ziele der NS-Gesundheits- und Sozialpolitik einzubinden. Gleichschaltung und Ideoligisierung Gleichzeitig mit der Gründung der KZVD und der KVD kam es zur Zwangsauflösung der Selbstverwaltung der Krankenkassen, die bis dahin von den Gewerkschaften und Ver- tretern der versicherten Arbeiter kontrolliert wurde. Alle Krankenkassen wurden gleich- geschaltet und durch staatliche Kommissare verwaltet, um auch hier alle jüdischen und regimekritischen Angestellten zu entlassen Impressionen von den Zahnärztetagen 1935 in Berlin (l.), 1937 in Düsseldorf (M.) und 1938 in Berlin, wo Reichszahnärzteführer Ernst Stuck gerade die Eröffnungsrede hält. Alle Fotos: zm-Archiv 54 Gesellschaft
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