Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 107, Nr. 20, 16.10.2017, (2346) und auch diese Strukturen in die planwirt- schaftlichen Aufgaben und Ziele der NS- Gesundheits- und Sozialpolitik einzubinden. Die Vergabe von Kassenarzt- beziehungs- weise Kassenzahnarztzulassungen regelte nur noch die KVD beziehungsweise KZVD, worauf es zur Schließung sämtlicher Eigen- betriebe beziehungsweise Polikliniken der Krankenkassen kam, wofür der RV und auch der „Hartmannbund“ seit Jahren gekämpft hatten. Die weltanschauliche und sozial- politische Schulung der Ärzte und Zahnärz- te sollte auch bewirken, dass jeder Arzt und Zahnarzt „die schwierige wirtschaftliche Lage der Krankenversicherung in Verbin- dung mit dem Allgemeinwohl“ erkennt. Als „Nationalsozialismus der Tat“ unter dem Motto „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ wurde gefordert: „Es darf keinen Unter- schied zwischen Kassen- und Privatpatienten geben“. Die private zahnärztliche Gebühren- ordnung, die der RV 1930 herausgegeben hatte, wurde schon 1934 außer Kraft ge- setzt und ärztliche und zahnärztliche Privat- leistungen in der Standespresse als „jüdische Bereicherung“ deformiert. Ein weiterer wichtiger Schritt im Rahmen der strukturellen Umgestaltung waren die „Gleichschaltung“ aller eigenständigen wissenschaftlich arbeitenden zahnärztlichen Gesellschaften und Verbände und die Neuordnung und einheitliche Führung des zahnärztlichen Fortbildungswesens. Diese Neuordnung legte der RV am 27. Oktober 1933 in seinen „Frankfurter Beschlüssen“ fest, wo er die Gründung einer Dachorganisation mit dem Namen „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ als wis- senschaftliche Sektion innerhalb des RV unter Federführung des Reichszahnärzte- führers Ernst Stuck und des NSDÄB-Mit- glieds und Vorsitzenden des Zentralvereins Prof. Dr. Hermann Euler beschloss. Die Führung dieser Dachorganisation sollte der Reichszahnärzteführer übernehmen, zu seinem Stellvertreter der Führer der zahn- ärztlichen NS-Dozentenschaft, Prof. Dr. Otto Loos, ernannt werden. Mitglieder sollten der in „Wissenschaftliche Vereinigung Deut- scher Zahnärzte“ umbenannte Zentral- verein mit drei Stimmen sowie die „Ver- einigung deutscher Kieferchirurgen“, die „Deutsche Gesellschaft für dentale Anato- mie“ und die „Deutsche Gesellschaft für Paradentoseforschung“ mit einer Stimme werden. Die Aufgaben der Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sollten erstens die Beratung des Reichszahnärzte- führers, zweitens die Organisation und die thematische Ausrichtung des Deutschen Zahnärztetages und der Pflichtfortbildun- gen der KZVD, drittens die Förderung der „Akademie für zahnärztliche Fortbildung“, viertens die Pflege der wissenschaftlichen Verbindungen zum Ausland, fünftens die Aufstellung von Normen für die zahnärzt- liche Ausbildung und sechstens die Bildung eines Presseausschusses für die wissen- schaftliche zahnärztliche Fachpresse und deren Neuorganisation sein. „Im Geiste echter Wissenschaft“ Die Hauptaufgabe des ehemaligen Zentral- vereins unter der Führung Eulers sollte es sein, einen wissenschaftlichen NS-„Führer- stamm“ heranzubilden und die jüngere Zahn- ärztegeneration mit dem „Geiste echter Wissenschaft und eines echten priesterlichen Arzttums zu durchdringen“ und federfüh- rend die Ausrichtung der alle zwei Jahre stattfindenden Tagung für Mund-, Zahn- und Kieferheilkunde im Rahmen des Deut- schen Zahnärztetages zu übernehmen. Die Anerkennung der politischen Führerschaft des Reichszahnärzteführers durch den Zentral- verein erfolgte schon in der letzten Beirats- sitzung des Zentralvereins am 31. August 1933 am Vorabend des 6. Deutschen Zahn- ärztetages, der vom 1.9. bis zum 3.9.1933 in Breslau stattfand und der als „erster natio- nalsozialistischer Zahnärztetag“ inszeniert wurde. Auch die letzte Hauptversammlung des Zentralvereins am 2. September 1933 in Breslau bestätigte einstimmig die von Euler vorgeschlagene Führerschaft des Reichs- zahnärzteführers sowie die Umgestaltung der Satzung und die Eingliederung des Zen- tralvereins in eine wissenschaftliche Dach- organisation innerhalb des RV, in der die Mitglieder des RV und der KZVD Pflicht- mitglieder werden sollten. In dieser Haupt- versammlung wurde Euler vom Reichszahn- ärzteführer zum „Führer der wissenschaft- lichen Organisation des Zahnärztestandes“ berufen. In Breslau fanden außerdem im Rahmen des 6. Deutschen Zahnärztetages eine nationale Kundgebung der deutschen Zahnärzteschaft und eine außerordentliche Hauptversammlung des RV statt, die beide ein Bekenntnis zu Adolf Hitler und zur Politik des NS-Staates waren. Vor allem die nationale Kundgebung der deutschen Zahnärzteschaft wurde als ein „öffentliches Treuegelöbnis für den neuen Staat“ zelebriert. Dabei wurde Nach dem Reichstagsbrand: Reichszahnärzteführer Stuck 1938 vor deutschen Zahnärzten im Reichstagssitzungssaal in der Krolloper. Foto: zm-Archiv 56 Gesellschaft
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