Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 107, Nr. 20, 16.10.2017, (2376) oder Flugzeuge, nicht einmal Taxen, und die Hotelrezeption ist quasi unbe- setzt. Zurück zur Klinik! – Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn der erste Eindruck der Klinik war sehr positiv, sie war ziemlich gut ausge- stattet! In unserer Vorstellung sah die Klinik eben wie eine „typische“ Dritte- Weltland-Klinik aus. Stattdessen: Alles wirkte sauber und strukturiert, jeder kannte seine Aufgaben, es gab richtige Behandlungseinheiten, steril verpackte Instrumente, sogar Digitales Röntgen. Die neun Behandlungseinheiten befin- den sich in einem großen Raum, aber eigentlich hat die Klinik eine Behand- lungseinheit mehr. Die zehnte Einheit steht in einem privaten Raum, reser- viert für die Behandlungen des Königs Tupou VI.! Von den neun Einheiten werden zwei den ausländischen Stu- dentinnen überlassen, die restlichen besetzen einheimische Zahnärzte so- wie die „Dental Therapists“. Das Ärzte-Team in Tongatapus Zahn- klinik besteht aus einer Prothetikerin, einem Kieferorthopäden, dem Chef als Kieferchirurgen, drei Zahnärztinnen, die hauptsächlich Füllungstherapien machen, einem Zahnarzt, der sich auf Wurzelbehandlungen konzentriert, und einigen Dental Therapists, die für den Schmerzdienst zuständig sind und hauptsächlich extrahieren. Dental The- rapists gibt es bei uns in Deutschland so nicht. Man studiert es, drei Jahre lang, und danach ist man befähigt, fast allen zahnärztlichen Tätigkeiten nach- zugehen. Der einzige Unterschied zum Zahnarzt, dessen Ausbildung fünf Jahre dauert, ist, dass Dental Therapists keine Endotologie machen dürfen. Beide Studiengänge werden nur auf den Fidschis und auf Englisch angeboten, so dass Tongaische Zahnmediziner sehr gut Englisch sprechen. Das erleichterte unseren Einsatz extrem! Ebenfalls die Tatsache, dass die Amtssprache hier Tongaisch, aber auch Englisch ist. Nur bei den älteren Generationen hatten wir ab und an Verständigungsprobleme. „Malei, one patient for number four please!“ Nummer vier – das ist unsere Einheit! Unser Tätigkeitsschwerpunkt im Vaiola Hospital ist die Aufnahme und Behandlung von Schmerzpatienten, was so viel heißt wie viele Extraktionen und einige Überweisungen zur Füllung oder Endodontie. So reicht unser kleiner, aber effektiver tongaischer Wortschatz aus, um uns auch mit den älteren Patienten auf eine Behandlung zu einigen: „Mamahi?“ (=Schmerzen?) – „Io.“ (=Ja), „Ta’aki? (=Ziehen?)“ – „Io“, und zack, der Zahn ist draußen! Dann „Hu’u!“ (=Zusammenbeißen; auf die Wattetupfer) und nächster bitte! Erste Anamnesefrage: Diabetes mellitus? Bevor wir aber mit der Behandlung be- ginnen, ist die erste Anamnesefrage: „Haben Sie Diabetes oder Bluthoch- druck?“ Denn, wie schon erwähnt, sehr viele Tongaer sind stark über- gewichtig, Adipositas ist hier quasi nor- mal. Mit dieser Frage sichern wir uns ab und versuchen, Komplikationen zu umgehen. Falls die Patienten die Frage bejahen, werden sie zur Hauptklinik geschickt, um die Werte checken zu lassen. Allerdings kommt es auch vor, dass einige gar nicht wissen, dass sie an Diabetes erkrankt sind. Und tatsächlich ist Diabetes mellitus die Haupttodes- ursache der Menschen auf Tonga. Zu unseren täglichen Befunden gehörten Foetor ex ore, massive Plaque, völlig zerstörte, ausgehöhlte Zahnkronen, kariöse Wurzelstümpfe, Abszesse und Fisteln, desaströse Gebisse, und vor allem Lückengebisse – aber eher alles gleichzeitig. Solche Fälle haben wir an der deutschen Universität selten ge- sehen. Tongaer gehen nämlich erst zum Zahnarzt, wenn die Schmerzen unaushaltbar sind, dementsprechend kommen sie oft mit einer genauen Behandlungsvorstellung: schmerzbe- freiend, schnell und effektiv, da bleibt keinesfalls Zeit für eine Wurzelkanal- behandlung über mehrere Termine. Kostenlos sollte die Behandlung auch Wir behandeln auf Tonga öfter Kinder und sind immer wieder von der extrem guten Compliance überrascht! Fluoride in die Flasche: Ly verteilt eine Mundspüllösung in die mitgebrachten Plastikflaschen. Einmal in der Woche kommen die Kinder zur Gruppenprophylaxe. So sieht der Behandlungsraum mit den vier Einheiten aus. An der Wand hängen viele Plakate mit Hinweisen zu Mundhygiene, Händewaschen und Diabetes mellitus. 86 Gesellschaft
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