Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 107, Nr. 20, 16.10.2017, (2380) „Es wird absolut unterschätzt, wie viel es ausmacht, wenn man eine Praxis betritt und es nach frischem Kaffee riecht“, sagt Willemeit. „Genau das haben wir bedacht. Und das Feedback ist extrem gut.“ In die Gestaltung von KU64 wurden auch Gerüche und akustische Reize einbezogen, um bei den Besuchern ein wohliges Gefühl zu er- zeugen. In der kalten Jahreszeit knistert das Kaminfeuer. Pflanzen sprießen. Im Warte- zimmer laden kuschelige Liegen mit iPad- Ausstattung und Blick durch hohe Fenster zum Träumen ein. Über den Behandlungs- stühlen sind Flachbildschirme montiert. Alle Formen auf den Fluren sind fließend ge- wellt. Nichts hier soll abschrecken und Angst machen. (T)Raumgestaltung auf der Intensivstation Eine beruhigende Raumatmosphäre steht auch bei einer anderen Arbeit des Architek- turbüros im Vordergrund. „Parametrische (T)Raumgestaltung“ heißt die vom Bun- desministerium für Wirtschaft geförderte Kooperation zwischen der Charité und GRAFT. Hinter dem rätselhaften Titel ver- birgt sich ein weltweit einzigartiges Pilot- projekt der Intensivmedizin. Es begann mit einer umfangreichen, mehrjährigen For- schung zu den stressauslösenden Faktoren auf Intensivstationen. Mit dem gewonnenen Wissen wurden 2013 zwei Intensivzimmer gestaltet. Gerade Patienten auf Intensivstationen erleben eine lebensbedrohliche Extrem- situation, sind besonders vulnerabel und in Gefahr, in einen schockähnlichen Zustand zu verfallen. Ein Drittel von ihnen erlebt auf normalen Stationen Delirien, bei zwei Drit- teln treten psychische Probleme auf. Es fällt schwer, die Selbstheilungskräfte in einem Raum zu mobilisieren, der immer gleich hell erleuchtet ist, in dem der Mensch ohne Intimsphäre und Einflussmöglichkeiten, um- geben von lärmenden Maschinen, an ein Bett gefesselt ist und ihm nur bleibt, die monotone Decke anzustarren. Bei den beiden Intensivzimmern der Charité sind die piepsenden und pumpenden Geräte am Kopfende der Betten hinter einer Wand versteckt. Kunststoff in Holzoptik und ein dunkler Fussboden sorgen für eine ruhigere Stimmung. „Alles, was klinisch weiß ist, ist zu vermeiden“, sagt Architekt Willemeit. Die Kontrollmonitore für die Klinikmitarbeiter sind in einem externen Raum untergebracht. Und zum Nachbarbett gibt es einen Sicht- schutz, um etwas Privatsphäre zu wahren. Das Wichtigste aber ist die Zimmerdecke: Dort erstreckt sich keine eintönige Fläche, sondern ein riesiger, gewölbter LED-Screen, der individuell bedienbar ist. Der Bildschirm kann auch auf Wetterdaten reagieren, kann morgens die Sonne aufgehen und Wolken ziehen lassen, nachts einen Sternenhimmel simulieren. Sogar ein virtuelles Blätterdach, vorbeiziehende Vögel und Kondensstreifen hat die Lichtdecke parat. Sie soll zum einen angst- und schmerzreduzierend wirken, zum anderen mit beweglichen Naturphänomenen die Kognition trainieren. Und sie erzeugt stimulierendes Tageslicht für Patienten, die sonst keines abbekämen. „Alles, was klinisch weiß ist, ist zu vermeiden“ „Der Einfluss von Licht auf unser Wohl- befinden ist gut messbar“, erklärt Willemeit. „Der Zusammenhang zwischen der Licht- qualität, die wir im Tagesverlauf erhalten, und dementsprechend unserer Melatonin- ausschüttung und der Schlafqualität nachts spielt auf Intensivstationen eine besonders große Rolle. Denn ein tagsüber wacher und nachts gut schlafender Patitent hat einen viel besseren Heilungsverlauf als jemand, der den ganzen Tag in einem immer gleich „Parametrische (T)Raumgestaltung“ heißt das weltweit einzigartige Pilotprojekt der Intensivmedizin. Wie sich die Raumgestaltung auf den Heilungs- verlauf der Patienten auswirkt, wird auch in kommender Zeit weiter beobachtet und ausgewertet. Foto: T. Hein 90 Praxis

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=