Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2436) ZApprO – Nur ein Selbstzweck der Bürokratie? Zum Beitrag: „Approbationsordung passiert das Kabinett: Endlich.“, zm 15–16/2017, S. 28. Zunächst unterstellt die Über- schrift, dass der Autor des Artikels der deutschen Rechtschreibung nicht vollständig mächtig ist; der Duden weist eindeutig aus, dass eine Überschrift generell nicht durch einen Punkt zu beenden ist. Bei der Lektüre des Artikels relativiert sich diese Sichtweise; offenbar soll hier eine bedin- gungslose Fortschrittsgläubigkeit heraus- und plakativ dargestellt werden. Als nächstes finden aus ihrem Kontext gerissene Zitate mitten im Text ihren Platz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich unser BZÄK-Präsident mit einer Formulierung profilieren möchte, die man einem Dental- vertreter im Verkaufsgespräch gerade noch durchgehen lassen möchte, die aber im Zusammen- hang mit einer für den Berufs- stand so bedeutsamen Regelung wie der Approbationsordnung geradezu lächerlich klingt. Weiterhin ist die Aussage, dass nur durch diese Novelle eine ak- zeptable Ausbildung möglich ist, zumindest als sehr zweifelhaft zu werten. Oder ist es so, dass bis dato lediglich veraltetes Wissen in den Hörsälen weitergegeben wurde? Erlauben Sie mir, eine Selbstverständlichkeit zum Aus- druck zu bringen. Es ist nicht alles schlecht, was alt ist und nicht jedwede Neuerung ist als voll- ständig gut zu betrachten. Im Artikel wird zunächst als groß- artiger Erfolg herausgestellt, dass die Novelle durch das Bundes- kabinett beschlossen wurde. Woher hätte eine Ablehnung kommen sollen? Es entstehen keine Kosten für Krankenkassen oder Beihilfestellen, es ist keine wirklich relevante Bevölkerungs- gruppe betroffen, kurz gesagt, das Vorhaben tut nicht weh, wird also klaglos durchgewunken. Laut zm wurde die neue Appro- bationsordnung „beschlossen“. Die Pressemitteilung des Bundes- ministerium für Gesundheit lautet: „Das Bundeskabinett hat heute die Verordnung zur Neuregelung der zahnärztlichen Ausbildung zur Kenntnis genommen ...“, von einem Beschluss ist keine Rede. Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick in das Werk. Augenfälligster Un- terschied zur alten Ordnung ist der Umfang. Von 21 Seiten mit 64 Paragrafen und sechs Anlagen steigert sich die Ausführung auf 185 Seiten mit 142 Paragrafen und 27 Anlagen. Das Studium allein dieser Ordnung wird zukünftige Studenten zeitlich deutlich mehr als bisher beschäftigen. Die neue Approbationsordnung für Zahnärzte wird ein Muster- beispiel für Vereinfachung staat- licher Regelungen. Die Präzision der Ausarbeitung lässt besonde- ren Fleiß der Behördenmitarbei- ter erkennen. Jedes Detail ist „ge- nauestens“ beschrieben. So wird zum Beispiel herausgearbeitet, welche Folgen die jetzt nachzu- weisende Erste-Hilfe-Ausbildung nach sich zieht: Dazu wird ein jährlicher Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger (gemeint sind Studenten (w/m)) angenom- men. Die Fallzahl wird mit 1.600 bestimmt. Gemeint sind die Stu- denten (= Fälle), die nicht eine anderweitige vorangegangene Ausbildung nachweisen können und deswegen einen achtstündi- gen Kurs absolvieren müssen. Der Gesamtzeitaufwand summiert sich somit zu 12800 Stunden. Diese Zahl zu berechnen ist ge- nauso sinnvoll wie festzustellen, welche Zeit die Summe der Auto- fahrer mit dem Anhören der Ver- kehrsmeldungen jeden Morgen insgesamt verbringt. Interessanter ist der finanzielle Aufwand pro Fall, das heißt, der Student zahlt für den Kurs 20 Euro; insgesamt bedeutet das, so wird es in der Approbationsordnung ausge- wiesen, einen jährlichen Gesamt- aufwand von 32 Tsd. Euro. Für wen ist letzteres Wissen relevant? [...] Richtig spannend wird es dann auf den Seiten 154 bis 184. Hier folgen Texte wie „Anlage 12 wurde durch Artikel 4 Nr. 29 der Verordnung vom 17. Juli 2012 (BGBl. I S. 1539) neu gefasst. Die Änderung holt die hierzu erfor- derliche Folgeänderung nach.“ Da sich Klauseln wie diese dem normal denkenden Menschen nicht erschließen, nutzen sie also vermutlich nur Verwaltungsfach- leuten und Juristen. Spätestens hier ist zu erkennen, dass die neue Approbationsord- nung weniger den zukünftigen Studierenden, sondern vielmehr als Selbstzweck der Bürokratie dienen wird. Die tatsächlich fachlichen Ände- rungen halten sich bei genauer Betrachtung doch eher im Rah- men. Das ist nicht verwunderlich, da die Zahnmedizin ist, wie sie ist und die Ausbildung dazu sich eben nur am derzeitigen Wis- sensstand orientieren kann. Die Neuverteilung der Prüfungen ist bestimmt zeitgemäß und die Forderung nach Heranführung an wissenschaftliches Arbeiten kann auch nicht falsch sein. Die ganzheitliche Behandlung unserer Patienten wird niemand mehr in Frage stellen. Jedoch wird an dieser Stelle übersehen, dass die Auftrennung z. B. von konser- vierender Behandlung und Pro- thetik zum einen didaktischer Art war – der Student tut sich mit der Präparation der ersten Krone ver- mutlich leichter, wenn er zuvor ausreichend Zeit hatte, sich mit dem Legen von Füllungen inten- siv vertraut zu machen – zum an- deren teilen wir in der täglichen Arbeit zwar nicht die Planung, aber doch die Ausführung nach konservierender und prothetischer Behandlung auf. Als Hinweis auf diese Notwendigkeit möchte ich die ZE-Richtlinien zitieren, die ex- plizit vorschreiben, dass die pro- thetische Behandlung erst nach abgeschlossener konservierender Vorbehandlung zu erfolgen hat. Die Zusammenfassung von Frage- stellungen zu Problemfeldern ist modern oder wird zumindest als fortschrittlich angesehen. Wir kennen die Thematik aus der Ausbildung unserer zahnmedizi- nischen Fachangestellten. Dort heißt das Zauberwort „Lernfelder“ und hat nicht die Spur der Ver- Foto: Photographee.eu_Fotolia 10 Leserforum
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