Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2532) Breslau. Bis zwei Jahre vor seinem Tod hat er im ATV regelmäßig geturnt. Auch einer weiteren außerberuflichen Leidenschaft ist er zeitlebens treu geblieben – der Musik. Er galt als „Meister auf dem Flügel“ [Herfert, 1954/55], lud regelmäßig zu Hauskonzerten ein und stand von 1907 bis zu seinem Tod der „Schlesischen Singakademie“ vor [Herfert, 1954/55]. Neben Carl Partsch trat auch sein Bruder Joseph (1851–1925) als Wissenschaftler besonders hervor: Der Geograf wirkte als Ordinarius und Rektor der Universität Bres- lau [Herfert, 1954/55; Benz, 2001; Imhof, 2001] und war seinem Bruder zeitlebens eng verbunden [Nisch, 1957]. Zahnärzte an das Niveau der Medizin heranführen Carl Partsch gilt bis heute als Nestor der zahnärztlichen Chirurgie. Zu seinen erklär- ten Zielen gehörte es, die Kollegen mit den diagnostischen und operativen Standards der Allgemeinchirurgie vertraut zu machen, die Grundlagen der (Histo-)Pathologie in die Zahnheilkunde einzuführen und diese so sukzessive an das Niveau der akademischen Medizin heranzuführen. Partsch war über- zeugt, dass pathologische Zustände des oralen Systems nachhaltige negative Wir- kungen auf den Gesamtorganismus zeigen, demzufolge sei es wichtig, den Zahn-, Mund- und Kieferbereich gesund zu erhalten. So wies er etwa darauf hin, dass schadhafte Zähne eine Eingangspforte für den unter Zeitgenossen gefürchteten Tuberkelbazillus sein können [Wülfing, 1953; Herfert, 1954/55; Holzhauer, 1962]. Partsch bemühte sich besonders um eine adäquate Behandlung von (dentogenen) Zysten und gangränösen Zähnen. Er entwickelte mehrere Operations- verfahren, die bis heute seinen Namen tragen [Holzhauer, 1962; Hoffmann-Axthelm, 2000]: 1892 trat er zunächst mit der Zystostomie an die Öffentlichkeit („Partsch I“). Hierbei er- folgt die Eröffnung der Zyste durch Resektion einer Zystenwand (vestibulär oder palatinal). Der übrige Zystenbalg wird belassen, so dass die Zystenhöhle zu einer Nebenhöhle der Mundhöhle wird. Dann wird eine offene Nachbehandlung durchgeführt, und der er- haltene Teil des Zystenbalgs metaplasiert nach einigen Wochen zu Mundschleimhautepithel. 1910 führte er die Zystektomie ein („Partsch II“). Dabei handelt es sich um eine vollstän- dige Entfernung des Zystenbalgs mit an- schließendem Wundverschluss. Die Heilung erfolgt hier über die Organisation des Blut- koagulums in der Knochenhöhle. Die Vorteile dieses Verfahrens sah Partsch in der primä- ren Heilung und der Möglichkeit, den Zysten- balg histologisch zu untersuchen. Als Schnittführung empfahl Partsch bei seinen Eingriffen einen Bogenschnitt, der im Vestibulum in Höhe des unteren Drittels der Wurzelspitze verläuft, wobei die Naht entfernt von der Resektionshöhle zu liegen kommt („Bogenschnitt nach Partsch“). Daneben entwickelte Partsch einen flachen scharfen Löffel zum Ausschälen von (kleine- ren) Zysten und zur Entfernung von Granu- lationsgewebe, der bis heute unter dem Eponym „Partsch-Löffel“ bekannt ist. Partschs Interesse galt zudem der Behandlung der „odontogenen Kieferhöhleneiterung“ [Wülfing, 1953], der Verfeinerung der Tech- niken zur Zahnextraktion, den Speichel- drüsenerkrankungen, den oralen Tumor- erkrankungen, der Resektionsprothetik, aber auch der Tuberkulose und Aktinomykose [Parreidt, 1909; Wülfing, 1953; Herfert, 1954/55; Fischer, 1962; Holzhauer, 1962]. Zu allen genannten Themen lieferte Partsch Fachbeiträge [Wülfing, 1953], vieles floss in das von ihm herausgegebene, mehrfach aufgelegte „Handbuch der Zahnheilkunde“ ein [Partsch, 1917; Fischer, 1962]. Viele seiner Schüler arrivierten ihrerseits zu erfolgreichen und prägenden Kiefer- chirurgen und wirkten als Multiplikatoren. Zu ihnen zählen die Professoren Fritz Williger (1866–1932), Gustav Hesse (1876–1945), Karl Zilkens (1876–1967) und Johannes Reinmöller (1877–1955) [Benz, 2001]. Zudem trat Partsch für die Einführung des Abiturs als Voraussetzung für die Aufnahme des Zahnmedizinstudiums und für die zahn- ärztliche Promotion ein. Beides sollte er noch erleben (1909 beziehungsweise 1919). Ebenso propagierte er das gesundheitsstärkende und präventive Potenzial regelmäßiger Leibes- übungen. Partsch wirkte nicht nur als Schrift- und Turnwart des ATV und als Ausschuss- mitglied der Deutschen Turnerschaft, son- dern nutzte diese Ämter auch, um auf die Potenziale eines organisierten Hochschul- sports hinzuweisen und politisch Einfluss zu nehmen. So sah er in einemMinisterialerlass von 1924 einen persönlichen Erfolg: Besagter Erlass verfügte die obligate Einführung von Veranstaltungen auf dem Gebiet der „Leibes- übungen“ an den Hochschulen, die Etablie- rung von Stellen für Hochschulturnlehrer und die Schaffung von Hochschulturn- und -spielplätzen [Herfert, 1954/55]. Partsch wurde mit hohen fachlichen und gesellschaftlichen Auszeichnungen bedacht. Neben der Ehrenmitgliedschaft im Central- Verein deutscher Zahnärzte (1895) [Parreidt, 1909] wurde ihm ein weiteres Dutzend Ehrentitel in Organisationen des In- und des Auslands angetragen. 1926 erhielt das neu errichtete stomatologische Universitätsinstitut in Moskau den Namen „Carl-Partsch-Institut“. Bereits 1907 war Partsch zum Geheimen Medizinalrat ernannt worden, 1921 wurde ihm in Breslau der „Dr. med. dent. h. c.“ ver- liehen [Wülfing, 1953; Herfert, 1954/55]. Seine fachlichen Leistungen und die Aner- kennung seiner Zeitgenossen führten dazu, dass Partsch als „Vater der Kieferchirurgie“ [Holzhauer, 1962] in die Medizingeschichte einging. Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Medizinische Fakultät RWTH Aachen University dgross@ukaachen.de Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 106 Gesellschaft

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