Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2453) der durch die Waden des Reiters erzeugt wird. Damit das Pferd in Gang bleibt, müssen diese Impulse immer wieder ge- geben werden. Auf diese Weise erfolgt ein rhythmisches Vor- und Zurückkippen des Beckens des Reiters. Sieht man von den Zügeln ab, entwickelt sich ein Zusammen- spiel zwischen Mensch und Pferd: Der Reiter kann durch Sitzen und Antreiben, durch Positionieren und Bewegen seiner Beine nach oben, unten und vorne das Pferd zu den Gangarten Schritt, Kanter, Galopp und sogar zur Vollführung von komplizierten Manövern anspornen. Bei gleichmäßigem Druck auf beiden Sitz- knochen des Reiters wird das Pferd gerade- aus weitergehen. Bei ungleichmäßigem Druck wird sich das Pferd nach rechts oder nach links bewegen. Bei der Dressur ver- ändert sich die Lot- oder Balancelinie des Reiterkörpers nicht, der Reiter wird sich auf dem Pferd nie nach vorne beugen. Eine leichte Drehung der Wirbelsäule hingegen ist möglich sowie eine leichte Biegung zur Seite. Schlussfolgernd ergibt sich, dass im Pferde- sport der Sattel fein auf die Funktionsweise des menschlichen Körpers abgestimmt ist, um die Dynamik des Reitens zu unterstützen. Ein gut angepasster, maßgefertigter (!) Sattel ermöglicht es sowohl dem Reiter als auch dem Pferd, sich gegenseitig dynamisch zu beeinflussen [Byström et al., 2010; Back, 2013; De Cocq et al., 2009; Nevison/Timmis, 2013]. 2. Sattelstühle in der Zahnarztpraxis Im Vergleich zum Reitsattel beruht die Ver- wendung eines sattelförmigen Sitzes auf einem Arbeitsstuhl in der Zahnarztpraxis auf einem anderen Prinzip. Abgesehen von der dämpfenden Federung des Gaskolbens beim Hinsetzen und der Weichheit der Pols- terung bildet der Arbeitsstuhl eine statische Basis, die nicht mit dem Sitzen auf einem Reitsattel auf einem sich bewegenden Pferd verglichen werden kann. Der statische Arbeitsstuhl ist für die Behandlung eine absolute Voraussetzung, um präzise und erfolgreich arbeiten zu können. Das Sitzen auf einem Sattelstuhl bedeutet, dass der Körper mithilfe der Oberschenkel auf dem Möbel fixiert wird. Beim Reiten erfolgt der Kontakt zum Pferd über die Waden, wodurch sich die Oberschenkel frei bewegen können. In dieser dynamischen Situation ist der Ausgangspunkt (Origo) eines Muskels der, an dem eine Aktion ihren Ursprung hat – nämlich durch Verkürzung des betreffenden Muskels. Diese Aktion wirkt sich am Ansatzpunkt (Insertion) des Muskels aus. Ein wichtiges Beispiel ist hier die Mm.- Iliopsoas-Gruppe mit ihrem Ursprung am Becken und an der Lendenwirbelsäule mit Ansatzpunkt am Trochanter minor (kleiner Rollbügel) des Femur (Oberschenkels). Die wichtigste Funktion dieser Muskelgruppe ist das Anheben des Oberschenkels [Gray/ Vandyke, 2011] (Abbildung 4). Wenn man jedoch in einer statischen Position auf einem Sattelstuhl sitzt, sind die Oberschenkel am Sitz fixiert, weshalb sich Ursprung und Ansatz des Muskels aus bio- mechanischer Sicht umkehren. Dies führt dazu, dass die Zugkräfte, die in einem Sattel zu Pferde sitzend am Oberschenkel ziehen, dies jetzt am Ansatz tun, sowie am Becken und an der Lendenwirbelsäule. Dies erklärt die offen sichtbare Hyperlordose (Hohlkreuz) der Lendenwirbelsäule. Das Becken wird Abbildung 4: Mm.-Iliopsoas-Gruppe Quelle: Primal Pictures [[[KIVP WLST HI +$33< '($/6 8IP Ƴ MRJS%KIVP HIRXEP HI 7$* '(5 5$',2/2*,( )MI &OXMSR ƺ8EK HIV 7EHMSPSKMIƸ KMPX MR HIV ;SGLI ZSQ 3SZIQFIV )MI &OXMSR KMPX RYV EYJ EYWKI[®LPXI 5VSHYOXI EYW YRWIVIQ 1MIJIVWSVXMQIRX 3MGLX QMX ERHIVIR 7EFEXXIR OSQFMRMIVFEV ;IMXIVI )IXEMPW IV LEPXIR MI EYJ &RJVEKI EYJ 7ÁRXKIR ]WXIQI
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