Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2454) nach vorne gezogen, was einen hohen Druck auf die Bandscheiben an der Rück- seite der Wirbelsäule nach sich zieht [Engels/Hokwerda, 2006; Engels, 2010; Engels, 2015] (Abbildung 5). Wenn beide (unteren) Beine einen festen Kontakt zum Fußboden haben, hat man außerdem keine Möglichkeit, die angewin- kelten Beine anzuziehen oder auszustrecken. Auf einem Pferd dagegen ist dies überhaupt kein Problem: Durch Benutzung des Steig- bügels kann man die Hacken nach oben ziehen oder nach unten drücken. Wegen der statischen Arbeitssituation ist zu- dem eine konstante dynamische Bewegung auf einem Sattelstuhl unmöglich. Deshalb ist der Abstand zwischen den Sitzknochen und der leicht erhöhten Vorderseite des Sitzes (eine vage Abwandlung des Vorderzwiesels) im Verhältnis zur Tiefe, zur Länge und zur Höhe des Sitzes von größter Bedeutung. Wie schon erwähnt, ist die Benutzung eines maßgeschneiderten Sattels in der professio- nellen Dressur unbedingt notwendig, um eine konstante dynamische Bewegung von Reiter und Pferd zu erleichtern [Engels, 2015]. Der Sattelstuhl ist jedoch ein Standard- produkt, weshalb die Bewegungsfreiheit für die darauf sitzende Person zu groß oder zu gering sein kann, was von der Form und Größe ihres Körpers abhängt. Eine zu große Bewegungsfreiheit kann zu Scherkräften führen, während ein zu enger Sitzbereich einen ständigen Druck auf das Schambein und die umgebenden Strukturen (Damm) auslöst [Partin et al., 2014; Potter et al., 2015; Michiels/Van der AA, 2015; Schrader, 2008]. Diese kritischen Aspekte, insbesondere die Fixierung des Oberschenkels und der Füße auf dem Fußboden, haben kompensatorische Auswirkungen auf die Wirbelsäule. Darüber hinaus wird der Grad der Auswärtsdrehung und Seitwärtsbiegung der Oberschenkel (was durch die Mm.-Iliopsoas-Gruppe erleichtert wird) folglich bestimmen, in welchem Maß das Hüftgelenk die kritische Überbelastungs- grenze erreichen wird. Mit anderen Worten: Das Design des Sitzbereichs eines Sattel- stuhls führt zu einer Fixierung der Beine in einer angehobenen oder auswärts gedreh- ten Position, durch die die Bewegung des Oberkörpers in der unteren Rückengegend zunehmend behindert wird. Das Ausmaß dieser Behinderung wird auch durch den Spreizungsgrad der Beine be- stimmt. Je größer der Winkel, desto größer die Spannung in den Muskeln der Iliopsoas- Gruppe und desto geringer der Bewegungs- spielraum der Lendenwirbelsäule (Abbil- dung 6). Und doch wird diese Behinderung oft als stabil empfunden – ein Phänomen in der Orthopädie, das als „paradoxales Gefühl“ beschrieben wird. Abbildung 6: Der Grad einer Behinderung in Bezug zum Spreizungsgrad der Beine Quelle: Argosy Publishing: Visible Body. Modifiziert nach PA Engels Abbildung 5: Die Haltung auf einem Sattelstuhl im Vergleich zum Reitsattel: Links: Die Haltung auf einem Sattel- stuhl, mit nach vorne ge- neigtem Becken, was zu einer hyperlordotischen Lendenwirbelsäule, einem nach vorne gebeugten Rumpf und nach vorne gerichteten Beinen führt. Rechts: Der aufrecht sitzende Reiter mit virtueller Lotlinie. Quelle: Paul Engels 28 Zahnärztliche Ergonomie
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