Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2429) Ich weiß nicht, wie Sie die momentane Situation rund um die Telematikinfrastruktur in Deutschland empfinden. Nach all den Aufgeregtheiten rund um die „nun aber endlich und überhaupt und jetzt geht‘s los, denn so steht es im Gesetz und der Minister will es auch“-Einführung der eGK in den Wirkbetrieb – Stichwort fehlende und (noch) nicht zertifizierte Konnektoren – scheint irgendwie die Luft aus diesem Thema zu sein. Dafür werden nun weitere Ballons aufgebla- sen, die beim Ablassen der heißen Luft laut quiekend durchs Gesundheitswesen fliegen. Nachdem fast alle großen GKV-Kassen laut- stark verkündeten, dass sie eine eigene elek- tronische Patientenakte (ePA) implementie- ren wollen, mit der dann „alles“, zumindest aber Kommunikation, Information und Transparenz im Gesundheitswesen (sic!) besser werden soll, hat nun der PKV-Verband nachgezogen und will im kommenden Jahr ebenfalls eine eigene digitale Gesundheits- akte anbieten. Dies alles natürlich zusätzlich zu den von privaten Unternehmen bereits entwickelten Patientenakten. Manche dieser Angebote gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren, sie sind aber über den Mauerblümchenstatus nicht hinausgekommen. Insofern verwundert es schon sehr, dass führende Kassenmanager die ePA nun zu einem Quasi-Ersatz der eGK stilisieren – mit dem Hinweis, dass die von der gematik ent- wickelte Technik eh nicht zukunftsfähig sei. Und überhaupt sei der Patient Herr seiner Daten. Und dass würde die eGK ja nicht so wirklich leisten können. Ich bin gespannt, ob wir uns in einigen Jah- ren fragen werden, warum Milliarden von Beitragsgeldern für die Entwicklung der TI und lediglich einer banalen Funktion wie dem Versichertenstammdatenabgleich aus- gegeben wurden. Aber es gibt ihn, den klei- nen Unterschied. Denn all die schönen Funktionalitäten der ePAs bieten zurzeit ei- nes nicht: Interoperabilität. Deshalb werden sie auch kein „kurzfristiger“ Ersatz der eGK werden können, egal wie viele Versicherte eine Kasse damit ausstatten kann. Womit wir dann doch wieder bei dem ver- maledeiten Thema eGK und dem Start des Wirkbetriebs wären: Zum Zeitpunkt des Ver- fassens dieses Editorials gab es immer noch keinen zertifizierten Konnektor. Von den 18 Monaten, die zur Umsetzung der Vorgaben des E-Health-Gesetzes – startend mit dem Versichertenstammdatenmanagement zum 1. Juli 2018 – vorgesehen waren, sind somit bereits vier vergangen. Insofern kann sich jeder Praxisinhaber, der abgewartet hat und damit den Empfehlungen der KZVen und Zahnärzte- kammern gefolgt ist, bestätigt sehen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nun kann Zeitverzug auch sein Gutes haben, nämlich wenn man die „gewonnene“ Zeit in die Problemlösung investiert. So konnte die KZV Westfalen-Lippe mittlerweile eine europaweite Ausschreibung abschließen, mit dem Ziel, die sich abzeichnende Monopol- situation bei den Konnektoren zu beseitigen.* Aber ob die Zeit wirklich gewonnen oder doch verronnen ist, wird sich noch zeigen. Denn der gesetzlich vorgegebene Zeitplan, der vorschreibt, welche Funktionalität der eGK bis wann im Wirkbetrieb sein muss, ist bis dato nicht verändert worden. Und die Sanktionsbewehrung im Übrigen auch nicht. Nach wie vor ist die Nichterfüllung zum Termin mit Honorarkürzungen für die Leistungserbringer gekoppelt. Bis dato gibt es keine Verlautbarung aus dem BMG. In Anbetracht der anstehenden Koalitionsver- handlungen verständlich, aber für Unter- nehmer, und das sind niedergelassene Zahnärzte und Zahnärztinnen nun mal, eine nicht hinnehmbare Situation. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Politik das Druckmittel der Sanktionen auf- geben wird – obwohl hier offensichtlich der Sack statt des Esels geschlagen wird –, muss jeder Niedergelassene mit der notwendigen Technik vertraut sein sowie den Installations- aufwand abschätzen können. Die nötigen Informationen finden sich auf den Webseiten der KZVen und der KZBV. Abschließend ein Zitat aus der Produkt- beschreibung einer Patientenakte: „Sie er- setzt weder die Primärdokumentation des Arztes noch die bereits etablierte Arzt-Arzt- Kommunikation [...] Ärzte können keine Ge- währ für die Vollständigkeit oder Richtigkeit der Daten in der ePA übernehmen. Aus forensischen Gründen ist der Umfang der dem Arzt vom Patienten freigegebenen Daten [...] revisionssicher zu dokumentieren. Das Potenzial der ePA liegt damit insbeson- dere darin, den Arzt-Patienten-Dialog zu verbessern. Außerdem stärkt sie die infor- mationelle Selbstbestimmung des Patienten.“ Wir vergleichen also mal wieder Äpfel mit Birnen. Aber immerhin: Sie sind digital. Foto: zm-Axentis.de ePA und eGK – der Vergleich von Äpfeln mit Birnen Dr. Uwe Axel Richter Chefredakteur *https://www.zis-ti.de 3 Editorial
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