Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2462) (Von Aspekten der inhärenten Schluck- problematik und des möglichen Ursprungs eines zu geringen Fokussierungsabstands zwischen den Augen und dem Arbeits- bereich wird abgesehen, weil es den Rah- men dieses Beitrags sprengen würde.) c) Fußschalter: Auch wenn in einer ergono- misch korrekten symmetrischen Arbeits- haltung sitzend gearbeitet wird, ist es un- vermeidlich, davon gelegentlich – etwa bei der Bedienung eines Fußschalters – abzu- weichen. Hierfür muss in der Regel der Ar- beitsstuhl – wenn auch gering – verschoben werden. Dieses Verschieben ist nur mithilfe der Unterschenkel und der Lendenwirbel- säule möglich, weil die auf der Sitzfläche ruhenden Oberschenkel die Bewegungs- freiheit der Beine einschränken. Bewegt man ein Bein, um den Arbeitsstuhl zu ver- schieben, und verwendet das andere, um das Fußpedal zu bedienen, kommt es zu einer Links-Rechts-Differenz bei der Fixie- rung der Oberschenkel auf der Sitzfläche mit Einfluss auf die Belastung und somit Lagerung des Beckens auf die Sitzfläche. Die resultierende asymmetrische Auflage der Sitzknochen und die asymmetrische Belas- tung der Iliosakralgelenke hat eine von der kinematischen Bewegungskette initiierte, kompensatorische Drehung der Lenden- wirbelsäule zur Folge. Die Kräfte, die sich auf Lumbalebene ent- wickeln, wenn der Fußschalter betätigt wird, wurden in einer Dissertation [Gerhard, 2011] beschrieben. Danach haben mehrere Typen von Fußschaltern Konsequenzen für die Belastung des Rückens. Das Problem dieser Forschungsarbeit besteht jedoch darin, dass die Sitzposition nicht definiert wird und die Probanden auf dem Rand eines traditionellen Arbeitsstuhls sitzen. Schlussfolgerung Die Vorteile des Sattelstuhls im Vergleich zum traditionellen Arbeitsstuhl lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Benutzer kann nicht vom Sitz herunterrutschen. Die Sitzhöhe kann höher sein als die Länge des Unterschenkels. Ein offensichtlicher Vorteil für die ZFA ist die Möglichkeit, schnelle Drehbewegungen zu vollführen (diese werden allerdings un- günstig im Lumbalbereich des Rückens kompensiert). Als wichtigste Nachteile sind zu nennen: Die permanente Fixierung der Ober- schenkel auf dem Sattel und die feste Stabilisierung der Füße auf dem Boden mit einer hohlkreuzartigen Änderung im Lumbalbereich der Wirbelsäule als Folge. Das Design des Sattelsitzes bewirkt, dass sich der Oberkörper viel weiter nach vorne beugt, als es laut ISO-Standard zulässig ist. Gesundheitsschädigende physiologische Reaktionsmechanismen sind die Folge. Außerdem wird die notwendige Beugung des Kopfes zu einer zweiten Beugung in der Wirbelsäule auf hohem Zervikalniveau führen, was die sensorischen Informationen stört. Fortwährende Bewegungen außerhalb der kinetischen Bewegungskette führen zu- nächst zu ausgleichenden Bewegungen und schließlich zur Adaption, die unumkehrbar und chronisch werden kann mit Beschwer- den in der linken und in der rechten Seite des Oberkörpers (Wirbelsäule, Hals, Schulter und Hände). Die Verschiebung des Unter- kiefers wird beispielsweise zu ernsten Funk- tionsstörungen der Kaumuskulatur führen. Die meisten praktizierenden Zahnärzte und ZFAs erkennen nicht, dass diese Funktionen das Ergebnis einer falschen Sitzposition sind. Mangel an Beckenunterstützung: Gemeint ist eine Unterstützung mit Auswirkung auf den Darmbeinkamm (Crista iliaca superior posterior) und somit unter Aussparung des Rückens und der Rückenmuskulatur. Das Bedienen des Fußschalters führt zu einer Verschiebung der Sitzknochen und folglich zu einer Verschiebung und Überlas- tung der Iliosakralgelenke und des unteren Rückens. Im Ergebnis überwiegen die Nachteile des Sattelstuhls, was die Autoren zur Schluss- folgerung veranlasst: Ein Sattel gehört auf ein Pferd und nicht in die Zahnarztpraxis. Die Anschaffung eines Sattelstuhls für die Zahnarztpraxis wäre damit gleichzusetzen einem Trojanisches Pferd willkommen zu heißen. drs. Paul Engels, Zahnarzt und Dentalergono- mist, Santpoort/Niederlande paul.engels@ziggo.nl Prof. drs. Oene Hokwerda, Zahnarzt und Dentalergonomist, Eelde/Niederlande drs. Joseph Wouters, Ergonomist und arbeits- medizinischer Sachverständiger, Nijkerk/Nie- derlande drs. Rolf de Ruijter, Zahnarzt und Dentalergo- nomist, Groningen/Niederlande Die Autoren danken Ingeborg Griffioen, MSc für ihren Beitrag zur Biomechanik Übersetzung aus dem Englischen überarbeitet von Prof. Dr. drs. drs. Jerome Rotgans, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeits- wissenschaft und Zahnheilkunde (AGAZ) in der DGZMK agaz-vorsitzender@dgzmk.de Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitswissen- schaft und Zahnheilkunde (AGAZ) tagt auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main am 10.11. von 9.00 bis 16.30 Uhr. Abbildung 15: Zähnepressen mit Abbrasionsfolgen Foto: DeKlinikvoorTandheelkunde.nl Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 36 Zahnärztliche Ergonomie
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