Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2509) haupt sei. Insgesamt seien global etwa 743 Millionen Menschen betroffen. Soziologisch betrachtet sei Parodontitis Quelle und Resultat sozialer Ungleichheit zugleich. Namhafte Parodontologen haben daher in einem internationalen Ansatz einen „Call for global Action“ herausgegeben, der von Jepsen gemeinsam mit seinen Kollegen Maurizio S. Tonetti, Lijian Jin (Hongkong) und Joan Otomo-Corgel (Los Angeles) im Journal of Clinical Periodontology veröffent- licht wurde. Die Autoren richten sich mit ihrem Aufruf an die Weltgesundheitsorgani- sation, Gesundheitspolitiker und Zahnmedi- ziner auf der ganzen Welt, aber auch an die breite Öffentlichkeit. Ziel ist, dafür zu sensibilisieren, wie relevant parodontale Erkrankungen sind: So gilt schwere Paro- dontitis als die sechsthäufigste Krankheit überhaupt – etwa elf Prozent der Weltbevöl- kerung sind betroffen. Daraus resultiert auch ein enormer wirtschaftlicher Schaden: Parodontitis erzeugt demnach weltweit einen Produktivitätsverlust von jährlich rund 54 Milliarden US-Dollar. Scaling bleibt Goldstandard Prof. Tonetti setzte sich mit der Rolle des Scalings auseinander. „Ob Scaling über- haupt noch State of the Art sei?“, fragte der „Paropapst“ in Dresden. Seine Antwort: Scaling bleibe der Goldstandard der Paro- dontitisbehandlung. Zusätzliche Maßnahmen sind seiner Erfahrung nach mit höheren Kos- ten verbunden. Dieser Mehraufwand solle jedoch unbedingt im klinischen Outcome sichtbar sein, was aber viele Therapien nicht erreichen. Tonetti plädierte dafür, die Parodontitis bereits im Frühstadium zu behandeln und sie keinesfalls als Bagatell- erkrankung zu betrachten. Er verwies außer- dem auf die Bedeutung der Reevaluierung – zu viele Zahnärzte würden das heute noch nicht tun. Unkenntnis über einen erfolgrei- chen Therapieausgang und eine mögliche Progredienz seien dann die Folge. Tonetti wies auch darauf hin, medizinische Co- Morbiditäten bei der Parodontitistherapie stets im Blick zu haben. Auf die Frage, wie lange die Antibiotikagabe bei einer Paro- dontitistherapie gegebenenfalls sein sollte, antwortete Tonetti, dass einige Studien eine Drei-Tage-Gabe bereits als ausreichend bewerteten. Prof. Benjamin Ehmke (Münster) beleuchtete den Zusatzeffekt der systemischen Antibiose mit Blick auf das Ergebnis des Scalings: Es gibt demnach nur wenige Indikationen für die systemische Antibiose. Initial tiefe Taschen und Patienten unter 55 Jahren pro- fitierten wohl am ehesten. Prof. Ti-Sun Kim (Heidelberg) widmete sich der lokalen Applikation von Antibiotika, die im Rahmen der unterstützenden Therapie- phase in Kombination mit mechanischer Instrumentierung Verwendung finden. Sie wies darauf hin, dass Metaanalysen nur einen sehr begrenzten, klinisch kaum relevanten zusätzlichen Behandlungserfolg gezeigt hätten. Auch Prof. Sigrun Eick (Bern) konnte nur über sehr eingeschränkte Effekte durch den Einsatz von Laser, photodynamischer Therapie oder Hyaluronsäure im Rahmen der Parodontitstherapie berichten. Prof. Giovanni Salvi (Bern) betonte, dass trotz potenzieller Unterschiede in Ätiologie oder Verlauf zwischen Parodontitis und Peri- implantitis auch bei der Mukositis/Peri- implantitis die Plaquekontrolle im Vorder- grund von Prophylaxe und Therapie steht. Beiträge zu Langzeitergebnissen und Ana- lysen lieferte unter anderem DG-PARO- Präsident Prof. Christof Dörfer (Kiel) – hier speziell zur Gingivitis und periimplantären Mukositis. Auch im Kontext aktueller ge- sundheitspolitischer Debatten stellte Dörfer die Gingivitis als potenzielle Vorstufe der Parodontitis heraus. Sein Kieler Kollege, PD Dr. Christian Graetz, präsentierte Trends in der zahnärztlichen Behandlungsphilosophie. Anhand seiner Erfahrungen aus 30 Jahren konservativer Parodontitistherapie in Kiel zeigte er auf, wie durch eine strukturierte Therapie auch bei initial unsicherer Prognose langfristiger Zahnerhalt möglich ist. Wichtig sei, seitens des behandelnden Zahnarztes Risiko- und Prognosefaktoren nicht zu ver- wechseln. Und absolut essenziell, dass jeder Parodontitispatient fortlaufend individuell reevaluiert wird. sf/pm Auf www.dgparo.de finden Sie Informatio- nen zur DG-PARO-Frühjahrstagung 2018 und zur EuroPerio 2018 in Amsterdam. Vom 1. bis zum 3. Oktober 2017 fand im Kloster Seeon bei Mün- chen eine von der DG PARO initiierte Leitlinienkonferenz statt, bei der die folgenden vier S3-Leitlinien kon- sentiert wurden: Leitlinie 1: Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention parodontaler Erkrankungen PD Dr. C. Graetz, PD Dr. K. El-Sayed, Dr. S. Sälzer, Prof. C. Dörfer Leitlinie 2: Häusliches chemisches Bio- filmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis Prof. T. Auschill, Dr. S. Sälzer, Prof. N. Arweiler Leitlinie 3: Subgingivale Instrumentierung PD Dr. M. Kebschull., Dr. L. Hierse, Prof. H. Jentsch Leitlinie 4: Adjuvante systemische Anti- biotikagabe bei subgingivaler Instrumen- tierung im Rahmen der systematischer Parodontitistherapie Dr. Y. Jockel-Schneider, PD Dr. B. Pretzl, Prof. U. Schlagenhauf, Prof. B. Ehmke Diese S3-Leitlinien sind neu Leitlinienkonferenz 83

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