Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 107, Nr. 21, 1.11.2017, (2524) Auch Myalgien der Extremitäten sowie ein Karpaltunnel-Syndrom beidseits wurden an- gegeben. Weiterhin liegen im Rahmen der Familienanamnese diverse Erkrankungen autoimmuner Genese (Multiple Sklerose und M. Hashimoto) vor. Klinische und histologische Diagnosestellung Das typische klinische Bild eines Pyoderma gangraenosums (PG) beginnt mit einem kleinen, geröteten Infiltrat, das sich rasch zu einer schmerzhaften Nekrose mit Ulzera- tionen ausdehnen kann und häufig einen bläulich-lividen, ödematös aufgeworfenen und gangränös unterminierten Rand aufweist. Sich ähnlich darstellende Erkrankungen wie Infektionen, maligne Entartungen oder Vas- kulitiden müssen durch histopathologische und laborchemische Untersuchungen aus- geschlossen werden. Ein PG ist klinisch, histologisch und immun- histologisch zu diagnostizieren. Bei unserer Patientin waren die immunhistologischen Untersuchungen (ANA, ANCA, RF) sowie eine Blutuntersuchung unauffällig. Zudem konnte durch eine Probeexzision mit aus- reichend Gewebe neben der Ulzeration eine maligne Entartung ausgeschlossen werden. Mikroskopisch zeigten sich eine floride Ulzeration mit Fibrinexsudation und peri- vaskulären, entzündlichen Infiltraten mit neutrophilen Granulozyten sowie reaktive Veränderungen der Epidermis (Abbildun- gen 2 und 3). Auch bei einem erneuten Ab- strich konnten keine Bakterien nachgewiesen werden. Therapie und Verlauf Nach lokaler chirurgischer Wundanfrischung mit Entnahme einer Probebiospie und regel- mäßigen Verbandswechseln zeigte sich im Verlauf keine Abheilungstendenz der Läsion. Vielmehr nahm diese an Größe noch zu. (Abbildungen 4 und 5). Nach weiteren chirurgischen Interventionen in Form von Wundanfrischungen und erneu- ten Probeexzisionen wurde die Verdachts- diagnose eines Pyoderma gangraenosum gestellt. Andere relevante Differenzial- diagnosen wurden durch die bereits ge- wonnenen histologischen und bakteriolo- gischen Untersuchungen ausgeschlossen, so dass umgehend eine Hochdosis-Kortison- Therapie (Prednisolon 80 mg bis zur Abhei- lung) eingeleitet wurde. Unter dieser systemischen Therapie und lo- kaler Wundpflege mit nicht haftenden Fett- gazeverbänden konnte eine zunehmende Abheilung der Läsion beobachtet werden (Abbildungen 6 und 7). Diskussion Das PG ist eine seltene neutrophile Derma- tose, die sich durch sterile Hautulzera mit einem unterminierenden erythematösen Randsaum manifestiert [Alavi et al., 2017; Cugno et al., 2017; Androutsakos et al., 2015; Su et al., 2004; Powell et al., 1996]. Die Erkrankung betrifft beide Geschlechter und jedes Alter. Die unkontrollierte kutane Ausbreitung ver- läuft individuell unterschiedlich. Die Patho- physiologie ist sehr komplex und noch nicht vollständig verstanden. Aktuell geht man von einer autoimmunen Genese aus [Alavi et al., 2017]. Allgemein wird ange- nommen, dass eine verstärkte immunolo- gische Reaktion und eine Überproduktion von Interleukinen (IL-1 Interleukine) statt- finden [Cugno et al., 2017]. Die nicht-infektiöse Pathogenese geht mit einer Fehlfunktion der neutrophilen Granu- lozyten einher [Su et al., 2004; Wollina et al., 2007]. Klinisch zeigen sich beim PG schmerzhafte, nekrotische Hautulzera mit einem irregulär unterminierenden Rand- saum und rascher Progression [Su et al., 2004]. Die Diagnose stützt sich maßgeblich auf das klinische Bild mit einer sterilen Ulzera- tion und typischem Aussehen. Ein einfacher Test zur Bestätigung der Diagnose liegt nicht vor. Differenzialdiagnosen (Erysipel, nekrotisierende Vaskulitis, tumoröse Mani- festationen, Hauttuberkulose, Lues und mehr) müssen durch spezifische Tests aus- geschlossen werden. Eine Probeexzision im Frühstadium ist hilf- reich, da sie den Ausschluss einer Vaskulitis der Haut erlaubt und gegebenenfalls eine lymphozytäre Infiltration nachgewiesen Abbildung 4: Zustand nach Probeexzision mit Wundanfrischung und temporärer Deckung mit Kunsthaut im November 2015 Fotos: Steegmann Abbildung 5: Zunahme der Größe im Dezember 2015 98 Zahnmedizin
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