Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 107, Nr. 22, 16.11.2017, (2580) „Warum nicht einfach extrahieren?“, fragte Prof. Dr. Michael Walter, Poliklinik für Zahn- ärztliche Prothetik Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, zu Beginn seines Vortrags recht provokant. Und ob Zahnerhalt im Zeitalter von All-on-4-Konzepten denn überhaupt noch zeitgemäß sei. „Natürlich!“ Neben der funktionellen Bedeutung natür- licher Zähne (bis zu 20-mal höhere Schwel- lenwerte bei der passiven Tastsensibilität im Vergleich zu Implantaten) hätten diese zudem eine strukturerhaltende Wirkung, weshalb sich der Zahnerhalt auch im stark reduzierten Lückengebiss lohne. Implantate seien zwar nicht die besseren Zähne, sagte Walter, sie könnten aber die Möglichkeiten zum Zahn- erhalt verbessern. „Man kann salopp sagen: je besser die Ab- stützung desto besser die Prognose“, ergänzte Prof. Dr. Jürgen M. Setz im anschließenden Vortrag. Setz, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Halle (Saale) – zugleich wissenschaftlicher Leiter des Sächsischen Fortbildungstages – referierte über Teleskop- prothesen im stark reduzierten Restgebiss. Sein Fazit: Teleskopprothesen werden mit großer Zufriedenheit getragen. Doch devi- tale Zähne als Teleskop-Pfeiler zeigten eine signifikant erhöhte Misserfolgsrate. Prof. Dr. Michael Augthun (Mülheim) sprach sich ebenfalls für die Verwendung von Implantaten aus, um die Funktion von abnehmbaren Zahnersatz zu verbessern. „Implantate können als strategische Pfeiler die Prognosefaktoren deutlich verbessern“, erläuterte Augthun. Dadurch könne dauer- haft eine stabile Prothesenlagerung erreicht werden. Totalextraktion und dann? Warum sind die meisten Patienten nach einer Totalextraktion mit ihrer Unterkiefer- prothese unzufrieden? Und können einfache implantatprothetische Maßnahmen dies än- dern? Mit diesen Fragen hat sich Dr. Sonia Mansour M.Sc. (Berlin) in einer Untersuchung beschäftigt: 20 Patienten wurden nach einer Totalextraktion mit jeweils einem Implantat im Unterkiefer versorgt. Die Patienten wur- den vor dem Eingriff sowie 1, 3, 6, 9 und 12 Monate danach zu ihrer Zufriedenheit befragt. Ergebnis: Die Zufriedenheit der Patienten nahm nach der Implantation ste- tig zu – der Tragekomfort der Unterkiefer- prothese verbesserte sich. „Ästhetik bei herausnehmbaren Zahnersatz – was ist aus zahnärztlicher Sicht sinnvoll, was ist zahntechnisch möglich?“ Mit dieser Frage beschäftigte sich Dr. Silvia Brandt (Frankfurt/Main) in ihrem Vortrag. Ihr Fazit: Die Simulationsgüte von Prothesen ist auf- grund der verfügbaren Dentalwerkstoffe und der zahntechnischen Handwerkskunst exzellent. Dabei seien nicht die „normalen“ Standard-Konfektionszähne, sondern die „Premium“- oder „High End“-Konfektions- zähne vorzuziehen: „Diese Konfektions- zähne bieten einen idealen Approximalver- schluss, sind besser beschichtet und haben eine natürliche palatinale und zervikale Aus- formung.“ Dadurch könne die Ästhetik deutlich verbessert werden. „Aber Vorsicht bei Patienten, die bereits jahrelang eine Standard-Prothese nutzen“, warnte Brandt. „Die ‚High-End‘-Konfektionszähne sorgen für den Erhalt der Phonetik und das gewohnte Zungengefühl. Patienten, die dies seit Jahren nicht mehr erlebt haben, können sich meist nur schlecht wieder daran gewöhnen.“ Zum Abschluss referierte Prof. Dr. Klaus Böning, Leiter Vorklinik Zahnmedizin, Poli- klinik für Zahnärztliche Prothetik, Universi- tätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, über den Modelguss im reduzierten Lücken- gebiss. Bei finanziell eingeschränkten Pa- tienten biete sich die kostengünstige und minimalinvasive Klammer-Versorgung an. Böning stellte verschiedene Patientenfälle vor, auch um aufzuzeigen, dass guss- klammerverankerte Modellgussprothesen tatsächlich meist kein Therapiemittel der ersten Wahl darstellen, aber dennoch nicht per se obsolet seien. „In Deutschland ist die gussklammerverankerte Modellgussprothese auf dem Stand der 6oer-Jahre stehengeblie- ben“, sagte Böning. „Viele Situationen kön- nen jedoch mit Modifikationen der Standard- klammersysteme gelöst werden.“ nb Sächsischer Fortbildungstag „Das beste Geheimnis unserer Patienten: das reduzierte Lückengebiss“ Die Lückenversorgung zu finden, die am besten zu dem Patienten passt, der vor einem sitzt – dieses Ziel stellte die Landes- zahnärztekammer Sachsen bei ihrem diesjährigen Fortbildungstag in den Fokus. Vom 20. bis zum 21. Oktober bildeten sich in Chemnitz knapp 1.000 Zahnärzte und ZFA zum Thema „Das reduzierte Lückengebiss“ fort. Im Bild: Referent Prof. Dr. Michael Walter. Alle Fotos: LZK Sachsen „Hoffen wir, dass wir der künfti- gen Gesundheitspolitik nicht ein reduziertes Lückengebiss diagnos- tizieren müssen“, begrüßte der Präsident der LZK Sachsen, Dr. Mathias Wunsch, die Teilnehmer. 18 Zahnmedizin

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