Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 107, Nr. 22, 16.11.2017, (2582) Mittel der Wahl bei odontogenen Infek- tionen sind – unverändert – die Penicilline. Dementsprechend werden Penicillin V und Amoxicillin mit Abstand am häufigsten ver- schrieben. Bei Patienten mit Penicillin- allergie stellt Clindamycin eine mögliche Alternative dar. Die Fluorchinolone werden im zahnärztlichen Bereich in der Regel nicht verordnet. Trotzdem sind einige Anmerkun- gen zu dieser Arzneimittelgruppe notwendig, da sie immer häufiger auch in den Medien hinsichtlich ihres Nebenwirkungspotenzials diskutiert werden. Nachdem einige Präparate vom Markt genommen wurden, spielen nur noch drei Substanzen aus dieser Gruppe eine Rolle: Ci- profloxacin, Levofloxacin und Moxifloxacin. Die Aktivität im grampositiven Bereich und gegen Anaerobier nimmt in der genannten Reihenfolge zu. Aufgrund des Spektrums wäre Moxifloxacin am ehesten für odontogene Infektionen geeignet. Im direkten Vergleich mit Clindamycin erwies es sich in einer Doppelblindstudie an einer kleinen Zahl von Patienten als besser wirksam und besser ver- träglich. Bei Patienten mit Infiltraten waren Schmerzen eher rückläufig, Moxifloxacin ver- ursachte seltener als Clindamycin Diarrhöen und Übelkeit [Cachovan et al., 2011]. Trotz der in dieser Studie recht guten Ver- träglichkeit können die Präparate einige unerwünschte Wirkungen verursachen, die im Rahmen der Nutzen-Risiko-Bewertung mit berücksichtigt werden müssen. Relativ häufig sind leichte neurotoxische Wirkungen wie Kopfschmerzen, Benommenheit oder Schlaf- losigkeit, die oft nicht als Nebenwirkung er- kannt werden. Selten (<0,5 Prozent) kann es zu Halluzinationen, Depressionen und Krampf- anfällen kommen. In den Fachinformationen wird auch auf sehr seltene, aber teilweise irreversible periphere Neuropathien hinge- wiesen. Weitere Risiken bestehen durch die Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Eine geringe Verlängerung des QTc-Intervalls im EKG ist nachweisbar. Wenn gewisse weitere Risikofaktoren, wie Elektrolytstörungen, kar- diale Vorerkrankungen oder eine Therapie mit Antiarrhythmika hinzukommen, können schwerwiegende Rhythmusstörungen („Torsades de pointes“) auftreten. Schließlich sind die Wirkungen der Chinolone auf Struk- turen des Bindegewebes zu berücksichtigen: Chinolone können zu Tendopathien (Tendi- nitis, Rupturen) führen, die sich offenbar auch noch Wochen und Monate nach einer Chi- nolontherapie – zum Beispiel in Form einer Achillessehnenruptur – klinisch manifestieren können. Diese Wirkungen der Chinolone kommen offenbar durch die Bildung von Chelatkomplexen mit di- und trivalenten Kationen (wie Magnesium) zustande. Fazit Obwohl Fluorchinolone wie Moxifloxacin aufgrund ihres Spektrums und der günstigen pharmakokinetischen Eigenschaften theo- retisch auch bei odontogenen Infektionen infrage kommen, werden sie von der Arznei- mittelkommission Zahnärzte nicht für diese Indikation empfohlen. Diverse, seltene un- erwünschte Wirkungen müssen bei einer Nutzen-Risiko-Bewertung berücksichtigt werden. Bei einem breiten Einsatz müsste darüber hinaus mit einer zunehmenden Resistenzproblematik gerechnet werden. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass durch den breiten Einsatz von Fluorchinolonen bei unkomplizierten Harn- wegsinfektionen und anderen nicht lebens- bedrohlichen Infektionen Chinolon-resistente Erreger (wie E. coli) drastisch zugenommen haben. Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann Leiter des Masterstudiengangs Toxikologie Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie Garystr. 5, 14195 Berlin ralf.stahlmann@charite.de Literatur: Cachovan et al.: „Comparative efficacy and safety of moxifloxacin and clindamycin in the ...“ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pub med/21173173, 2011 Antibiotikaverordnungen in der Zahnarztpraxis Sollten Fluorchinolone eingesetzt werden? Ralf Stahlmann 2016 haben Zahnärzte im Vergleich zum Vorjahr 8,6 Prozent mehr Antibiotika verordnet. Bei jeder einzelnen Verordnung sollte kritisch hinterfragt werden, ob wirklich eine eindeutige Indikation vorliegt. Foto: BR 24-Bayerischer Rundfunk 20 Zahnmedizin

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