Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 107, Nr. 22, 16.11.2017, (2588) Am DGAZ-Tag der Lehre, der Hochschultag der Deutschen Gesellschaft für Alterszahn- medizin (DGAZ), wurde zur Aufgabe der Fachgesellschaft gemacht, Mindeststan- dards der universitären Ausbildung für das Fach Seniorenzahnmedizin zu definieren, wobei neben der Versorgung von Gebrech- lichen die zahnmedizinische Betreuung von ambulant und stationär Pflegebedürftigen im Vordergrund steht. Was kommt auf uns zu? In den kommenden Jahren werden in Deutschland zunehmend mehr Menschen aus geburtenstarken Jahrgängen in ein Alter kommen, in dem Gebrechlichkeit bis hin zur Pflegebedürftigkeit wahrscheinlicher ist. Schon heute sind fast 40 % der 85- bis 89-Jährigen und 64 % der 90-Jährigen und Älteren pflegebedürftig. Entsprechend ge- hen Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamts von einem Anstieg der Pflege- bedürftigkeit bis 2030 um 35 % aus. Die starke Zunahme betrifft vor allem betagte Menschen: So wird sich die Zahl Pflegebe- dürftiger in der Altersgruppe 90+ verdop- peln. Mit dem Pflegestärkungsgesetz 2 er- folgte zum 1. Januar 2017 die Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade. Nach ersten Schätzungen erhöht dies die Zahl erfasster Pflegebedürftiger um weitere 500.000 Menschen. Eine Zahnarztpraxis sollte somit heute schon durchschnittlich 81 Menschen mit Pflegegrad betreuen. Auf der zahnmedizinischen Seite zeigt uns die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstu- die (DMS V) aus dem Jahr 2016, dass auch im hohen Alter der Trend zu immer mehr er- haltenen Zähnen geht. Von den 77,4 %, die in der Gruppe der älteren Senioren (75 bis 100 Jahre) nicht pflegebedürftig sind, wa- ren nur 20,8 % vollständig zahnlos. Die an- deren haben im Durchschnitt noch 18 na- türliche Zähne. Diese Daten entsprechen ziemlich genau denen der jüngeren Senio- ren (65 bis 74 Jahre) aus dem Jahr 2005 (DMS IV). Bei den Pflegebedürftigen der DMS V sind immerhin 46,3 % nicht zahnlos und besitzen im Durchschnitt noch 12,1 na- türliche Zähne, die von den Pflegebedürfti- gen oft nicht allein in ausreichendem Maß gepflegt werden können. Die Zahnmedizin ist also gefordert, immer mehr, insbesondere auch hochaltrige Pfle- gebedürftige zu betreuen, die zudem kom- plexe zahnmedizinische und allgemeinme- dizinische Probleme präsentieren. Wie fit ist unser Nachwuchs? Eher nicht so fit. 76,3 % der Zahnmedizin- studierenden fühlen sich in der Senioren- zahnmedizin nicht gut ausgebildet. Diese Information stammt aus der aktuellen Gene- ration-Y-Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ), und sie ist mit einer Aus- schöpfungsquote von 69,3 % aller Studie- renden sehr verlässlich. Nur 5 % der Studie- renden können sich später ein besonderes Engagement in der Seniorenzahnmedizin vorstellen. In der Prognose lägen wir damit bei 1.620 Pflegebedürftigen pro engagierter Praxis, ein völlig unrealistisch hoher Wert. Wenn sich hier nichts ändert, steht zu be- fürchten, dass die hohen Erwartungen, die in den Verhandlungen mit dem Gesetzgeber und den gesetzlichen Krankenkassen geweckt wurden, nicht erfüllt werden können. Damit droht ein Glaubwürdigkeitsschaden, der die ganze Zahnmedizin träfe. Wer die Zahnme- dizin für Pflegebedürftige, eine anerkannte Pflegebedürftige in der Zahnmedizin an Deutschen Hochschulen Die studentische Ausbildung muss schnell besser werden Ina Nitschke, Christoph Benz Deutschland hat eine der am stärksten alternden Gesellschaften in der Welt. Dies stellt insbesondere auch die Heilberufe vor besondere Herausforderungen. Aufgabe der medizinischen Fakultäten muss es sein, die Studierenden in Theorie und Praxis mit Senioren, der Pflege und dem Pflegealltag vertraut zu machen. In der Zahnmedizin ist dies bislang überwiegend nicht der Fall. Was als Ausbildungsziel an den Universitäten stärker berücksichtigt werden muss, um Pflege- bedürftigen besser helfen zu können: mobile Behandlung – als fester Bestandteil im Praxisalltag. Foto: Creative Picture 26 Politik

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