Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 107, Nr. 22, 16.11.2017, (2604) Knapp 3 Millionen pflegebedürftige und 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen leben heute in Deutschland.* Fast 30 Pro- zent davon sind nicht in der Lage, ihre Zähne und Zahnprothesen eigenständig zu reinigen und zu pflegen. Die Folgen: mehr Karies, weniger eigene Zähne, eine schlechtere Lebensqualität und weniger soziale Teilhabe. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahn- ärztekammer kämpfen deshalb schon seit Jahren in der Politik dafür, dass diese Personengruppe Hilfe bei der täglichen Mundhygiene erhält. Die Versorgungslücke Mit „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ legten sie 2010 ein Konzept zur vertragszahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen vor – mittlerweile in der Versorgungslandschaft eine Art Blaupause, weil es erstmals den Blick auf diese bislang vergessenen Patienten lenkte und die Versorgungslücke, besser Versorgungs- ungerechtigkeit, belegt: Mit zunehmender Pflegebedürftigkeit sind ältere Menschen weniger belastbar – auch für die zahn- medizinische Versorgung. Das heißt, die Therapiefähigkeit sinkt, die Mundhygiene- fähigkeit nimmt ab und die Eigenverantwor- tung ist – zum Beispiel bei der Vereinbarung und der Einhaltung eines Zahnarzttermins – in hohem Maße eingeschränkt. Fakten, die durch die 2016 erschienene DMS V erhärtet wurden: So haben 75- bis 100-jährige Senioren mit Pflegebedarf eine höhere Karieserfahrung (24,5 versus 21,6 DMF- Zähne) und weniger eigene Zähne (22,4 versus 17,8 fehlende Zähne) als die ge- samte Altersgruppe. Ebenso benachteiligt: Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung. Auch sie rutschten in der Ver- gangenheit durch das System: Wer moto- risch und/oder kognitiv eingeschränkt ist, hat nämlich keinen Anspruch auf unter- stützende Leistungen, und das obwohl er wegen der damit einhergehenden unzu- reichenden Mundpflege und Behandlungs- fähigkeit ein erhöhtes Risiko für Karies und Zahnbettentzündungen aufweist. Der erste Durchbruch Folglich machte die KZBV Druck, die Zahn- gesundheit für diese beiden Patienten- gruppen deutlich zu verbessern – und zwar vor allem durch regelmäßige zahnärztliche Kontrollen und präventive Leistungen. Verabschiedung der Richtlinie nach § 22a SGB V Endlich Präventionsleistungen für Pflege- bedürftige und Menschen mit Behinderungen Schon im Jahr 2010 machte die Zahnärzteschaft auf die teils desolate Mundgesundheit von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen aufmerksam – und forderte mehr Unterstützung für diese vulnerablen Personengruppen. Sieben Jahre, unzählige Gespräche und viele Aktionen später hat die KZBV das erste große Ziel erreicht: Die ersten Präventionsleistungen sind ab dem 1. Juli 2018 im GKV-Katalog verankert. Schon heute sind 2,86 Millionen Menschen hierzulande Pflegefälle, acht von zehn sind 65 Jahre und älter, mehr als ein Drittel mindestens 85 Jahre alt. Insgesamt 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen leben in Deutschland, knapp 25 Prozent sind 65 Jahre oder älter. Fortsetzung des Artikels auf Seite 44 Foto: D. Pietsch 42 Politik
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