Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 107, Nr. 22, 16.11.2017, (2606) Nach fünf Jahren „Klinkenputzen“ dann der erste durchschlagende Erfolg: Mitte 2015 beauftragt der Gesetzgeber im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit der Regelung zahnärztlicher Präventionsleis- tungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen – anspruchsberechtigt sind Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliede- rungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten. Am 19. Oktober 2017 verabschiedet der G-BA schließlich die erste Fassung der Richtlinie nach § 22a SGB V: Damit sind nach den Positionen zur aufsuchenden Versorgung (§ 87 2i und 2j) nun auch die wesentlichen Leistungen zur Prävention verankert – das heißt, das AuB-Konzept ist für diesen Teil weitgehend umgesetzt. Die neuen vier Leis- tungen gelten ab dem 1. Juli 2018. Insge- samt 3.821.181 Versicherte (2.937.768 Pfle- gebedürftige und 883.413 Menschen mit Behinderung*) haben dann erstmals An- spruch auf präventive Betreuung beim Zahnarzt – insbesondere darauf, dass – der Mundgesundheitsstatus erhoben, – ein Plan zur individuellen Mund- und Pro- thesenpflege erstellt und – über die Bedeutung der Mundhygiene aufgeklärt wird sowie Herr Dr. Eßer, am 19. Oktober 2017 hat der G-BA die Erstfassung der Richtlinie nach § 22a SGB V zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen beschlossen. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis ? Dr. Wolfgang Eßer: Ich bin zunächst froh, dass es im ersten Schritt gelungen ist, die gesetzlich vorgegebenen Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen in einer G-BA-Richtlinie zu verankern. Die Zahnärzteschaft drängt seit Jahren darauf, die Versorgung dieser Patienten- gruppen zu verbessern. Schon im Juni 2010 – das war vor sieben Jahren – hatte die KZBV zusammen mit der Bundeszahn- ärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin und dem Berufs- verband Deutscher Oralchirurgen das Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ vorgelegt. 2015 wur- den schließlich Teile davon vom Gesetz- geber aufgenommen – und diese gesetzlich vorgegebenen Leistungen finden sich nun endlich in der Richtlinie des G-BA wieder. Welche Rolle spielt die KZBV im Beratungsprozess ? Wir sind ganz klar die treibende Kraft. Die KZBV hat nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung im G-BA die Auf- nahme der Beratungen forciert und dann mit einem eigenen Richtlinienentwurf maßgeblich dafür gesorgt, dass dieser Prozess zeitnah abgeschlossen wird. Wann stehen die Leistungen den Versicherten zur Verfügung? Nach Abschluss des Beratungsverfahrens im G-BA werden in einem zweiten Schritt die Verhandlungen im Bewertungsaus- schuss geführt. In diesem Gremium haben die KZBV und der GKV-Spitzenverband die Aufgabe, die Inhalte der Richtlinie mit Leben zu füllen und in konkrete BEMA-Positionen zu überführen und zu bewerten. Dieser Pro- zess muss bis zum Inkraft- treten der Richtlinie am 1. Juli 2018 abgeschlossen sein. Und dann stehen die Leistungen tatsächlich Pflege- bedürftigen und Menschen mit Behinderungen im Versor- gungsalltag zur Verfügung. Seien Sie sicher: Auch hier wird die KZBV auf einen zeitnahen Abschluss der Verhandlungen drängen! Der G-BA hat in der Richtlinie zu- nächst die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt. Sind damit die Bedarfe der Versicherten umfassend beschrieben? Die verabschiedete Richtlinie kann nur ein erster Schritt sein, um die Mundgesund- heit von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung zu verbessern. Richtig ist, dass die Richtlinie zunächst gesetzliche Mindestvorgaben umsetzt, um zeitnah der gravierenden Unterversorgung dieser besonders vulnerablen Patientengruppen entgegenzuwirken. Damit ist jedoch das Gesamtproblem noch nicht gelöst, denn beide Versichertengruppen weisen ein überdurchschnittlich hohes Risiko für Karies-, Parodontal- und Mundschleim- hauterkrankungen auf. Häufig besitzen die Versicherten nur eingeschränkte Kapazi- täten zur Selbstvorsorge. Dazu kommen zusätzliche Faktoren, wie beispielsweise Multimorbidität und Multimedikation. Die 2016 vorgestellte Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt deutlich, dass die Prä- vention noch nicht alle Bevölkerungsgruppen in derselben Weise erreicht. Menschen mit Pflege- bedarf oder in sozial schwierigen Lebenslagen profitieren nicht im gleichen Maß davon wie die Breite der Be- völkerung. Deshalb müssen wir weiterhin ein besonderes Augenmerk auf die zahn- ärztliche Prävention und Therapie dieser Patientengruppen haben. Um diesem Anspruch zu genügen, muss das Leistungsspektrum sukzessive erwei- tert werden. Dies haben die Fachexperten sowie die Pflegeverbände anlässlich der Anhörung zur Richtlinie § 22a SGB V nachdrücklich gefordert. Die KZBV wird in einem zweiten Schritt die Aufnahme weiterer Leistungen für Menschen mit Behinderungen und für Pflegebedürftige prüfen und die entsprechenden Anträge im G-BA einreichen. Dr. Wolfgang Eßer ist Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. ? ? ? ? „Wir sind ganz klar die treibende Kraft!“ Interview mit dem KZBV-Vorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer Foto: KZBV-Baumann 44 Politik

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