Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 107, Nr. 22, 16.11.2017, (2646) Bei bereits manifesten Blutungsereignissen haben sich – beispielsweise im zahnärztlichen Notdienst – Aufbisstupfer zur Kompression mit beschicktem Tranexamsäuregel oder flüssiger Tranexamsäure bewährt. Im Gegensatz zu unbeherrschbaren Blutungs- risiken während eines oralchirurgischen Ein- griffs muss das theoretische Risiko eines po- tenziellen thromboembolischen Ereignisses, das durch Umstellen beziehungsweise Aus- setzen einer antikoagulatorischen/throm- bozytenaggregationshemmenden Medika- tion ausgelöst werden kann, berücksichtigt werden. So können die meisten oralchirurgischen Eingriffe ohne schwerwiegende Komplika- tionen unter Verwendung von hämostati- schen Maßnahmen bei unveränderter Fort- führung der oralen Antikoagulation/oralen Thrombozytenaggregationshemmung durchgeführt werden (Tabelle 2) [Kämmerer et al., 2015]. Gleichzeitig solle eine enge interdisziplinäre Absprache mit dem zu- ständigen oder behandelnden Hausarzt er- folgen. Unter Rücksprache und keinesfalls eigenständig können am Morgen der Ope- ration bestimmte Medikamente ausgesetzt werden. Bei bestehenden Unsicherheiten, fehlendem Komplikationsmanagement oder unklaren Fällen ist auch hier die Überweisung an den Fach(zahn)arzt beziehungsweise an die Fachklinik empfohlen. Ob die prophylaktische Anwendung von TXA-Mundspüllösung auch bei Patienten ohne orale Antikoagulation/Thrombozyten- aggregationshemmung sinnvoll ist, lässt sich derzeit durch Studien nicht nach- weisen. Mit der positiven Wirksamkeit in der Zahnheilkunde hält TXA in der lokalen Anwendung jedoch auch in anderen Ge- bieten wie zum Beispiel der HNO-Chirurgie Einzug. Hier wird es erfolgreich in der Nebenhöhlen- und Tränenwegschirurgie sowie der Therapie der Sekundärnach- blutung nach Tonsillektomie eingesetzt [Abrams, 2012]. Dr. Dr. Daniel Schneider Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen Helios Kliniken Schwerin Wismarsche Str. 393–397, 19049 Schwerin daniel.schneider2@helios-kliniken.de PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOMFS Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Universitätsmedizin Rostock Schillingallee 35, 18057 Rostock peer.kaemmerer@med.uni-rostock.de Exemplarische Möglichkeiten der lokalen Blutstillung in der Praxis Postoperative Blutungsvermeidung und lokale Blutstillung Aufklärung über Verhaltensmaßnahmen (z. B. Lagerung [Oberkörper 30° hoch], übermäßige Bewegung & übermäßiges Sprechen vermeiden, Aufbisstupfer bei Blutungen, Nachsorge anbieten) Adaptierende Nähte (keine Periostschlitzung) Einlage resorbierbarer Matrices/Hämostyptika (Kollagen, Oxycellulose, Gelantine); fakultativ Tränkung derselben mit Tranexamsäure Verbandsplatte Mundspülung mit 5 % Tranexamsäure (4-mal täglich für 2 Minuten, bis zu fünf Tage post- operativ); mit Tranexamsäure getränkte Aufbisstupfer Fibrin- oder Cyanoacrylatkleber Bipolare Blutstillung Einlage von Knochenwachs Quelle: Schneider/Kämmerer Tabelle 2 Abbildung 2: Ein oral antikoagulierter Patient stellt sich im Notdienst nach einer Zahnextraktion am Vortag mit einer Schüssel des eigenen Blutes vor, um zu beweisen, dass eine Vorstellung in der Klinik wirklich notwendig war. Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Patienten mit oraler Antikoagulation, aber auch mit oraler Thrombozyten- aggregationshemmung kann zur Ver- meidung von Nachblutungsereignissen eine zwei- bis siebentägige Mund- spülung (4xd) mit fünfprozentiger Tranexamsäure gegeben werden. Der verantwortliche Zahnarzt sollte erreichbar sein beziehungsweise dem Patienten sollte eine Möglichkeit zur Nachsorge auch außerhalb der regulären Sprechstunde geboten werden. Multimorbiden Patienten mit oraler Antikoagulation/Thrombozytenaggre- gationshemmung wird eine Behandlung durch den Fach(zahn)arzt beziehungs- weise in der Fachklinik oder gegebe- nenfalls unter stationären Kautelen empfohlen. Fazit für die Praxis 84 Zahnmedizin

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