Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23
zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2730) Entzündungsmodulierende Perspektiven Neuere ätiologische Modelle zur Parodonti- tis heben neben der Bedeutung der Plaque in verstärktem Maße die entzündlichen Wirtsreaktionen hervor. Hierbei scheint es so zu sein, dass parodontalpathogene Keime die entzündliche Umgebung als Voraus- setzung zur Besiedelung benötigen und demnach als inflammophil zu bezeichnen sind [Hajishengallis, 2014; Marsh & Devine, 2011]. Die entzündliche Umgebung sorgt unter anderem dafür, dass die Keime eine wärmere Umgebung haben und vor allem stärker mit Sulkusfluid versorgt werden, das ihnen als Ernährungsgrundlage dient. Dem- entsprechend ist es Ziel der sogenannten Wirtsmodulation (engl. „host modulation“), die Entzündungsprozesse des Körpers so zu modulieren, dass den parodotalpathogenen Keimen weniger günstige (entzündungs- arme) Umgebungsfaktoren zur Verfügung stehen [Bhatavadekar & Williams, 2009]. Prinzipiell ist dies über antientzündliche Medikamente (wie nicht-steroidale Anti- rheumatika wie Acetylsalicylsäure), entzün- dungsauflösende Präparate wie Omega-3- Fettsäuren möglich [Chee et al., 2016; Salvi & Lang, 2005; Serhan, 2014] – oder eben über Ernährungsfaktoren. Dass Nahrungsmittel einen großen Einfluss auf körperliche Entzündungsprozesse aus- üben, konnte eine Untersuchung von van Woudenbergh et al. [2013] zeigen. Die Forscher korrelierten Daten von 1.024 Patienten bezüglich ihrer Ernährungs-, Ent- zündungs- und Blutzuckerfaktoren (wie CRP, IL-6, IL-8, TNF- Į , Serum Amyloid A, lösliches interzelluläres Adhäsionsmolekül-1 (sICAM), HbA1c, Insulin- und Glukosekonzentration). Die Ergebnisse zeigten im Wesentlichen, dass die Gesamtenergiemenge, die Kohlen- hydrate, die gesättigten- und trans-Fett- säuren und Cholesterin einen entzündungs- fördernden und die Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffe, diverse Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe einen entzündungs- hemmenden Einfluss haben (Tabelle 1). Es stellt sich nun die Frage, ob diese gesamt- systemischen Einflüsse auch Einfluss auf das Parodont haben? Eine interventionelle Pilot- studie an der Uniklinik Freiburg konnte zeigen, dass Probanden unter einer anti- entzündlichen Ernährung signifikant weniger gingivale und parodontale Entzündungen aufwiesen im Vergleich zu Probanden, die sich mit einer „normalen“ Ernährung (reich an Kohlenhydraten und gesättigten Fett- säuren) ernährten [Woelber et al., 2016]. Dass diese Ergebnisse nicht nur einen kurz- fristigen Einfluss auf orale Entzündungs- parameter haben, sondern auch signifikant mit einem geringeren Risiko an Zahnverlust einhergehen, konnten auch Kotsakis et al. [2017] in einer Querschnittstudie zeigen. Parodontitis und Ernährung Johan Wölber, Christian Tennert Die Ernährung wirkt sich erwiesenermaßen auf gingivale und parodontale Erkrankungen aus. Diese Fortbildung zeigt, wie eine begleitende Ernährungs- beratung im Rahmen der Parodontitistherapie parodontale und allgemein- gesundheitliche Faktoren positiv beeinflussen kann. Foto: Fotolia_Syda Productions 14 Tage täglich 300 ml Salatsmoothie führten in einer Studie zu einer signifikant verringerten parodontalen Entzündung. 32 Fortbildung Parodontologie
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