Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23

zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2731) Die Analyse der NHANES(National Health and Nutrition Examination Surveys)-Daten von 6.887 Patienten ergab, dass die Patien- ten mit einer anti-entzündlichen Ernährung durchschnittlich 0,84 Zähne weniger ver- loren hatten als Patienten mit einer pro- entzündlichen Ernährung. Weiterhin gibt es zahlreiche Studien, die einzelne Ernährungs- komponenten in Bezug zur parodontalen Entzündung untersucht haben (zum Beispiel Zucker, gesättigte Fettsäuren, Vitamine). Diese sollen unter den spezifischen Nähr- stoffen aufgeführt werden. Ein weiterer Grund, die Ernährung im Rahmen der Parodontitistherapie zu thema- tisieren ist, dass chronische Entzündungs- prozesse einen Mehrbedarf an Mikronähr- stoffen ergeben, um ein funktionierendes Immunsystem zu gewährleisten [Enwonwu & Ritchie, 2007]. Beispielhaft setzen Leuko- zyten im Rahmen der parodontalen Entzün- dung vermehrt aktivierte Sauerstoffradikale (engl. „reactive oxygen species“, ROS) frei, für deren Produktion eine Vielzahl von Mikronährstoffen wie Zink, Kupfer und Selen notwendig sind. Die Sauerstoffradikale wirken zum einen antimikrobiell, induzieren aber auch direkt und indirekt den parodon- talen Knochenabbau. Zur Aufhebung dieses oxidativen Stresses im Rahmen einer chro- nischen Entzündung werden demnach auch vermehrt Antioxidantien benötigt [Semba & Tang, 1999]. In diesem Zusammenhang konnten Muniz et al. [2015] in einer syste- matischen Literaturübersicht zeigen, dass Patienten mit Parodontitis vor allem von einer Mehreinnahme von Lycopene (ein Carotinoid aus Tomaten) und Vitamin E (Tocopherol aus Mandeln) adjunktiv zur Parodontitistherapie profitierten. Die plaque-modulierende Perspektive Neben den aufgeführten (vermutlich vor- nehmlich) systemischen Wirkungen von Ernährung auf die Parodontitis üben Nahrungsmittel auch einen Einfluss auf die lokale orale Plaquezusammensetzung aus. In diesem Zusammenhang konnten Studien zeigen, dass Saccharose (Fabrikzucker) die Plaquebildung fördern kann [Harjola & Liesmaa, 1978; Jalil et al., 1983]. Hannig et al. [2009] konnten in einer In-situ-Studie zeigen, dass Rotwein, schwarzer Tee und Zistrosentee die bakterielle Besiedelung von Rinderschmelzproben in der Mundhöhle re- duzieren konnten. Die Autoren erweiterten die Schlussfolgerung generell auf polyphenol- haltige Getränke. Des Weiteren stellte eine aktuelle Übersichtsarbeit verschiedene pflanz- liche Lebensmittel vor, die in der Lage waren, eine antimikrobielle Wirkung auf oralpatho- gene Keime auszuüben [Karygianni et al., 2015]. Darunter waren unter anderem Tee (allgemein), (ungesüßter) Kakao, Kaffee, Rot- wein, Ingwer, Knoblauch, Curry und Koriander. Einen neuen Therapieansatz präsentierte eine belgische Arbeitsgruppe: Anstatt des Ansatzes, alle Bakterien reduzieren zu wollen, zeigten die Forscher den wichtigen Einfluss von kommensalen oralen Bakterien (die vor allem in der gesunden Flora vorhanden sind) und stellten präbiotische Substanzen vor, mit denen diese gesunden Bakterien gefördert werden könnten [Herrero et al., 2016; Slomka et al., 2017]. Allerdings sind den Autoren dazu noch keine klinischen Studien bekannt. Makro- und Mikronährstoffe Für ein besseres Verständnis der genannten Zusammenhänge sollen im Folgenden ein- zelne Nährstoffe und deren Bedeutung für parodontale Entzündungen beleuchtet werden: Kohlenhydrate: Kohlenhydrate sind das Pro- dukt der pflanzlichen Photosynthese und in großem Maß in pflanzlichen Nahrungs- mitteln enthalten. Sie können aus einzelnen Zuckermolekülen bestehen (Monosaccharide wie Glukose oder Fruktose), aus zwei ver- knüpften Zuckermolekülen (Disaccharide wie Saccharose „Fabrikzucker“, bei der ein Molekül Fruktose und ein Molekül Glukose verknüpft sind) oder aus vielen verknüpften Zuckermolekülen (Polysaccharide wie Stärke, Zellulose, Ballaststoffe). Sie dienen dem menschlichen Körper zur Energiegewinnung und im Fall der Ballaststoffe als Nahrung für gesundheitsfördernde Darmbakterien. In der Natur kommen Mono- und Disaccharide (abgesehen von Honig und Nektar) so gut wie nicht ohne einen Verbund mit Poly- sacchariden (wie Zellwänden, Ballaststoffen) vor. Die kulturelle Prozessierung von Kohlen- hydraten (wie Herauslösung von Mono- und Disacchariden aus Zuckerrüben, Entsaften von Obst) hebt diesen Verbund auf. Dazu zählen Industriezucker, Fruktose-Glukose- Sirup, Traubenzucker, aber auch Weißmehle und Säfte, und deren weiterverarbeitete Produkte wie Süßigkeiten und Backwaren. Pro- und antientzündliche Nährstoffe Nährstoff Entzündungsfördernd Energie (kcal/d) Kohlenhydrate Fette (insgesamt) Gesättigte Fettsäuren Transfettsäuren Cholesterin Vitamin B12 Entzündungshemmend Omega-3-Fettsäuren Proteine Ballaststoffe Vitamine (außer B12) Magnesium Zink Selen Quercetin Genistin (z. B. in Soja) Kurkuma Tee Ethanol Tabelle 1: Ein positiver Entzündungsindex bedeutet mehr, ein negativer Wert weniger Entzündung. [Nach: van Woudenbergh et al., 2013] Entzündungsindex 0,23 0,346 0,323 0,25 0,26 0,21 120,09 – 0,384 – 0,05 – 0,52 – 0,725 bis – 0,050 – 0,95 – 0,316 – 0,021 – 0,49 – 0,68 – 0,774 – 0,552 – 0,534 33

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=