Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23
zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2742) Teilnehmerinnen keinerlei Instruktionen zur Optimierung ihrer in der Regel verbesserungs- bedürftigen häuslichen Zahnpflege gegeben wurde, reduzierte sich unter dem Einfluss von L. reuteri die Plaquebedeckung der Zähne in der Testgruppe auf ein Drittel des Ausgangswertes, während wiederum für die Placebogruppe nur eine geringe, nicht- signifikante Reduktion der Plaquebedeckung beobachtet werden konnte (Abbildung 4). Dies bestätigte auf eindrucksvolle Weise, dass die Stärke einer gingivalen Entzündung und die hierdurch modulierte Verfügbarkeit von Blut und Sulkusfluid als bakteriellen Substraten, die Wachstumsrate bakterieller Biofilme entscheidend beeinflusst. Auch die Auswirkungen des Konsums L.-reuteri- haltiger Lutschtabletten auf die Abheilung parodontaler Läsionen nach systematischer Parodontaltherapie mittels Scaling und Root Planing waren bereits Gegenstand einer größeren, kontrollierten Interventionsstudie [Teughels W et al., 2013]. Sie offenbarte, dass Patienten, die in der Abheilungsphase nach Scaling und Root Planing über drei Monate hinweg regelmäßig L.-reuteri-haltige Lutschbonbons konsumiert hatten, zum Zeitpunkt der Reevaluation einen signifikant höheren mittleren Attachmentgewinn auf- wiesen als die Patienten der Kontrollgruppe, die im Beobachtungszeitraum nur ge- schmacksidentische Placebo-Lutschtabletten regelmäßig zu sich genommen hatten. Auch der Prozentsatz an Zähnen mit weiterem Therapiebedarf aufgrund residualer Taschen > 5 mm lag zum Zeitpunkt der Reevaluation in der Testgruppe mit durchschnittlich 17 Pro- zent signifikant niedriger als in der Placebo- gruppe, in der noch 35 Prozent der Zähne dieses Kriterium aufwiesen (Abbildung 5). Eine tierexperimentelle Studie an Ratten [Poutahidis T et al., 2013] gab inzwischen einen näheren Einblick in die molekularen Mechanismen, die einer Verbesserung der Wundheilung durch den Konsum von L. reuteri zugrunde liegen. Sie konnte nach- weisen, dass bereits die Zugabe von L. reuteri ins Trinkwasser der Versuchstiere eine ganz ausgeprägte Steigerung der Abheilung nor- miert zugefügter Hautwunden nach sich zog, ohne dass dabei L. reuteri in direkten Kon- takt mit den Wunden gekommen wäre. Die Analyse der Ursachen ergab, dass der regel- mäßige Konsum von L. reuteri zur vermehrten Freisetzung des Neuropeptidhormons Oxytocin führte, das nachfolgend analog zur entzün- dungsdämpfenden Wirkung kurzkettiger Fett- säuren die Aktivierung CD4+Foxp3+CD25+ immunregulatorischer T-Zellen induzierte. Nebenwirkungen, Kontraindikationen Selbst für den Langzeitkonsum probiotischer Zubereitungen sind bislang keine gravieren- den Nebenwirkungen bekannt. In seltenen Einzelfällen wurde nach Probiotikakonsum ein Völlegefühl oder das vermehrte Auftreten von Flatulenzen angegeben. Obwohl es keine Berichte über aufgetretene Zwischenfälle gibt, sollten zudem schwerstkranke oder schwer immunkompromitierte Patienten probiotische Produkte nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt konsumieren. Empfehlungen für die Praxis Die Reduktion oder Prävention parodontaler Entzündungen sowie die Förderung der Wund- heilung im Rahmen parodontaler Therapien durch den regelmäßigen Konsum probio- tischer Bakterien sind vielversprechende, innovative Ansätze, die das etablierte Stan- dardtherapieverfahren der konsequenten mechanischen Entfernung entzündungs- assoziierter bakterieller Biofilme sinnvoll er- gänzen können. Da die Verwendung spezi- 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 10 % 30 % 50 % 70 % 90 % PII 0 PII 1 PII 2 PII 3 PII Anfang Verum PII Anfang Placebo PII Ende Verum* PII Ende Placebo Abbildung 4: Veränderung der Verteilung der bei Schwangeren erfassten Plaque-Index-Werte vor und nach sechswöchigem Konsum von L.-reuteri-haltigen Lutschbonbons oder Placebos Quelle: [Schlagenhauf et al. 2016]. Abbildung 5: Prozent- satz residualer paro- dontaler Taschen > 5 mm zwölf Wochen nach Scaling und Root Planing und dem nachfolgenden regelmäßigen Kon- sum von L.-reuteri- haltigen Lutschbon- bons oder Placebos Quelle: [Teughels et al., 2013]. 0 10 20 30 40 50 SRP SRP + L. reuteri Prodentis 34 % 18 % ` p = 0.045 % von Stellen, die einer Operation bedürfen 44 Fortbildung Parodontologie
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