Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23
zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2745) Dieser Artikel soll einen Überblick über einige Aspekte möglicher Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen geben, ohne genetische Risikofaktoren be- ziehungsweise genetische Erkrankungen mit Parodontitis als Symptom einzubeziehen. Parodontitis und Diabetes Der Diabetes mellitus ist eine Stoffwechsel- erkrankung mit dem Leitsymptom der chronischen Hyperglykämie (erhöhter Blut- zuckerspiegel im Blut). Man unterscheidet zwei wesentliche Formen des Diabetes mellitus, Typ 1 (T1DM) und Typ 2 (T2DM). T1DM kann bereits in jüngeren Lebens- jahren auftreten und wird auch als Insulin- pflichtiger Diabetes mellitus bezeichnet, da die Insulinproduktion in den Zellen des Pankreas aufgrund spezifischer Autoimmun- antikörper ausbleibt. Im Unterschied zum T1DM handelt es sich beim T2DM um die oftmals in späteren Lebensjahren erworbene Form des Diabetes mellitus. Darüber hinaus existieren eine Reihe anderer, seltener Er- krankungsformen des Diabetes sowie des Gestationsdiabetes. Parodontitis und Diabetes mellitus können sich bekanntlich gegenseitig beeinflussen (Abbildung 2) [Preshaw et al., 2012; Jepsen et al., 2015]. Dies gilt nicht nur für die jewei- lige Pathogenese, sondern auch für den Ein- fluss der Therapie der einen auf die jeweils andere Erkrankung [Chapple et al., 2013]. Diabetes mellitus ist – wie auch die Parodon- titis – eine hoch prävalente Erkrankung in der Weltbevölkerung [Zimmet et al., 2016; Kassebaum et al., 2014]. Deutschland ge- hört mit 7,6 Millionen Diabetes-Patienten (davon rund 95 Prozent T2DM) zu den zehn Ländern mit der höchsten Anzahl an Diabe- tikern [Tamayo and Rathmann, 2016]. Der chronisch erhöhte Blutzucker führt im Ver- lauf der Erkrankung zu einer Vielzahl unter- schiedlicher Folgeerkrankungen (Komplika- tionen des Diabetes mellitus) wie Makro- angiopathien (Erkrankungen des Herz- Kreislauf-Systems) und Mikroangiopathien (Retino-, Makulo-, Nephro- und Neuro- pathie) [Bundesärztekammer, 2013]. Als weitere Folgeerkrankung der chronischen Hyperglykämie wurde Parodontitis bereits 1993 von Harald Löe beschrieben [Löe, 1993]. Weitere Hintergründe hinsichtlich der Diagnostik des Diabetes mellitus wur- den bereits in den zm 3/2017 ausgeführt [Kuzmanova et al., 2017]. Einfluss des Diabetes mellitus auf Parodontitis: Zahlreiche Studien haben in den vergange- nen Jahrzehnten den Einfluss von Diabetes mellitus auf die parodontale Gesundheit untersucht. Allgemeiner Konsens ist, dass Diabetes mellitus einen wichtigen Risiko- faktor für Parodontitis darstellt [Chapple et al., 2013]. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Diabetes, unabhängig vom Alter, höhere Werte für die mittlere Taschen- sondierungstiefe sowie für den mittleren klinischen Attachmentverlust aufzeigen [Genco and Borgnakke, 2013; Khader et al., 2006; Lalla et al., 2006]. Die Progression des Knochenabbaus ist ebenso wie das Risiko für frühzeitigen Zahnverlust bei Diabetikern er- höht [Costa et al., 2013; Salvi et al., 2008]. Das Ausmaß dieser klinisch messbaren Folgen des Diabetes mellitus ist direkt mit der Einstellung des Blutzuckers (validierbar durch die Bestimmung des Anteils an gly- kiertem Hämoglobin im Blut, HbA1c-Wert in Prozent) verknüpft. Bei Patienten mit einem gut eingestellten Diabetes (HbA1c 6,5 bis 7,5 Prozent) unterscheidet sich der parodontale Zustand nicht von dem eines Nichtdiabetikers [Borgnakke, 2014]. Bei Diabetikern beeinflusst der chronische hyperglykämische Zustand direkt die Funk- tionalität einiger Immunzellen (wie zum Bei- Fotos: Fotolia-yodiyim/nerthuz/psdesign1 Abbildung 1: Der Patientenfall – Teil 1: Intraoraler Fotostatus und Attachment- status im Ausgangsbefund: Die rote Färbung in der dargestellten Handfläche entspricht der in diesem Fall vorliegen- den Gesamtentzündungsfläche von 1157 mm 2 (PISA-Score). Die Abbildung des Attachmentstatus und der Hand- fläche wurden mithilfe des Programms ParoStatus.de generiert. Quelle: Jepsen & Dommisch, 2014 47
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