Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23
zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2746) spiel der Monozyten und der neutrophilen Granulozyten aufgrund einer Dysregulation der Synthese pro-inflammatorischer Zytokine [Taylor et al., 2013]. Weiterhin führt der erhöhte Blutzucker nicht nur zu einer Gly- kierung des Hämoglobins in Erythrozyten, sondern zu einer Vielzahl unterschiedlicher Proteine, was schließlich in eine Art „Sack- gasse des Stoffwechsels“ mündet. Es han- delt sich um die Ausbildung irreversibler Endprodukte (fortgeschrittene Glykierung; advanced glycation end products, AGEs), die sich in nahezu allen Gewebetypen und so auch in parodontalen Geweben anreichern können. Die AGEs können an einem spezi- fischen Zelloberflächenrezeptor, dem soge- nannten RAGE (receptor for advanced glycation end products), auf Immunzellen binden und nach dessen Aktivierung zum Beispiel die Synthese pro-inflammatorischer Mediatoren und die Freisetzung aktiver Sauer- stoffspezies bewirken [Polak and Shapira, 2017; Taylor et al., 2013]. Diese pathophysiologischen Faktoren tragen unter anderem erheblich zu einer Verän- derung der körpereigenen Abwehrleistung sowie zu einer Verringerung der Heilungs- bereitschaft bei, wodurch der dysbiotische dentale Biofilm eine verstärkte pathologische Wirkung entfaltet und damit bei anfälligen Patienten mit Diabetes mellitus zu einem schwereren Ausmaß der parodontal-ent- zündlichen Destruktion führen kann [Taylor et al., 2013; Polak and Shapira, 2017]. Einfluss der Parodontitis auf Diabetes mellitus: Grundsätzlich beeinflussen chronische kom- plex-entzündliche Erkrankungen die physio- logische Regulation des Blutzuckers negativ. Parodontitis gehört zu den komplexen Entzündungserkrankungen des Menschen und es ist bekannt, dass die metabolische Einstellung bei Patienten mit Diabetes mellitus und Parodontitis im Vergleich zu parodontal gesunden Patienten mit Dia- betes mellitus erschwert ist [Chapple et al., 2013]. Daher misst man bei Patienten mit schwerer Parodontitis höhere HbA1c-Werte [Taylor and Borgnakke, 2008]. Dieses Phänomen tritt durch die Präsenz pro- inflammatorischer Mediatoren wie zum Beispiel des Tumor-Nekrose-Faktors alpha (TNF alpha) im Blutstrom auf. TNF alpha beeinflusst unter anderem den Fettmeta- bolismus und wirkt als Insulinantagonist [Taylor and Borgnakke, 2008; Polak and Shapira, 2017]. Darüber hinaus kann eine moderate bis schwere Parodontitis ebenfalls die Kompli- kationen des Diabetes mellitus negativ be- einflussen. Gezeigt werden konnte, dass hier eine Assoziation mit kardio-renaler Mortalität, der Verkalkung atherosklerotischer Plaque, Nierenerkrankungen im Endstadium sowie der Makroalbuminurie besteht [Saremi et al., 2005; Shultis et al., 2007; Chapple et al., 2013; Sharma et al., 2016]. Besonders deutlich wird der Einfluss der Pa- rodontitis auf Diabetes mellitus, wenn man die Veränderung des HbA1c-Wertes nach der aktiven Parodontitistherapie betrachtet. Metaanalysen konnten wiederholt zeigen, dass die Parodontitistherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus im Mittel zu einer Re- duktion des HbA1c-Wertes um 0,27 bis 0,65 Prozent führte [Engebretson and Kocher, 2013; Simpson et al., 2015; Madianos and Koromantzos, 2017]. Dieses Ausmaß der Reduktion des HbA1c-Wertes ist für eine verbesserte glykämische Einstellung klinisch relevant, wenn eine adäquate Parodontitis- therapie durchgeführt wird [Borgnakke et al., 2014]. Basierend auf einem Konsensuspapier von Diabetologen und Parodontologen [Deschner et al., 2011] wird von der DG PARO, der DGZMK und der Deutschen Diabetesgesell- Abbildung 2: Schematische Abbildung der pathogenetischen Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus Quelle: mit freundlicher Genehmigung: Quintessenz-Verlag, [Yoshie et al., 2013] 48 Fortbildung Parodontologie
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