Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23

zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2772) Portalbetreiber und Agenturen raten Medizinern unisono, auf Bewertun- gen per Kommentar zu reagieren. Was ist aus juristischer Sicht dabei zu beachten? Matthias Hechler: Das Kommentieren von Arztbewertungen ist juristisch höchst ge- fährlich. Als Anwalt rate ich Ärzten hiervon grundsätzlich ab. Alle Ärzte unterliegen nämlich einer strengen Schweigepflicht, die es bei anderen Unternehmen nicht gibt. Jede Kommentierung – auch eine Danksagung fällt darunter – birgt die Gefahr, dass Ärzte sich strafbar machen oder gegen Berufsrecht verstoßen. Hierfür reicht bereits jede Identifizierungsmöglich- keit des Patienten. Die Verletzung der ärzt- lichen Schweigepflicht ist nicht nur ein schwerer berufsrechtlicher Verstoß, sondern sogar ein Straftatbestand (bis zu 1 Jahr Frei- heitsstrafe). Bereits die Mitteilung des Patientennamens und erst recht die Wei- terleitung von Details aus der Patienten- akte an Marketingagenturen erfüllen diesen Straftatbestand. Selbstverständlich ziehen Portalbetreiber die Kommentierung der Bewertung einer vollständigen Löschung vor. Sie haben ein essenzielles Interesse am Bestand von negativen Bewertungen. Ein Bewertungs- portal mit ausschließlich wohlwollend be- werteten Ärzten wäre sinnlos. Der Rat zur Kommentierung entspringt offensichtlich nicht altruistischen Motiven. Dieser Rat ist für Ärzte nicht nur immens gefährlich, sondern auch geradezu naiv. Es hat gute Gründe, dass juristische Leistungen wie die Unterstützung bei der Löschung oder Kommentierung von Bewertungen grund- sätzlich Anwälten vorbehalten ist (Rechts- dienstleistungsgesetz), und zwar nicht nur im ärztlichen Bereich. Marketing- oder Internetagenturen sind derartige Tätig- keiten gesetzlich verboten. Ein negativ bewerteter Arzt sollte sich tunlichst von einem spezia- lisierten Anwalt helfen lassen. Mit erheblichen Zahnschmerzen geht man schließlich auch zum Zahnarzt und nicht zum Beten in die Kirche. Wann sollte man auf einen Kommen- tar verzichten und juristisch gegen die negative Bewertung vorgehen? Ich rate Ärzten von Kommentierungen grundsätzlich ab. Dafür gibt es mehrere Gründe. Gerade aus marketingtechnischer Sicht muss die Löschung der Bewertung absolute Priorität haben. Denn jede nega- tive Bewertung verschlechtert die Gesamt- note auf Portalen wie jameda. Nur die Löschung verbessert die Gesamtnote, eine Kommentierung hingegen nicht. Im Unter- schied zur Löschung ist der Nutzen von Kommentierungen daher kaum spürbar. Insofern ist die Frage falsch gestellt. Einen Großbrand löscht man nicht mit einer Wasserpistole. Eine Kommentierung emp- fiehlt sich nur als ultima ratio, wenn das Lö- schungsunterfangen endgültig gescheitert ist und nichts anderes übrig bleibt. Ärzte sollten sich von einer Kommentierung je- doch nicht viel erhoffen. Laut Studien wer- den Internetnutzer bereits durch die bloße Existenz von schlechten Bewertungen ab- geschreckt. Auch eine mögliche Kommen- tierung hilft darüber nicht hinweg. Es bleibt immer ein „Geschmäckle“. Ärzte sollten Löschungsunterfangen und Kommentierungen unter Anleitung eines spezialisierten Anwalts vornehmen. Das Persönlichkeitsrecht – hierum geht es – ist eine juristische Spezialmaterie. Marketing- agenturen fehlt nicht nur die gesetzliche Erlaubnis, sondern auch die juristische Kenntnis. Mediziner sollten auch nicht selbst tätig werden. Oft kommen Ärzte zu mir, die jameda bereits selbst angeschrieben und sich durch eine falsche Argumen- tation oder die vermeintliche Richtigstellung eines Sachverhalts zuvor bestehende Löschungsmöglichkeiten ver- baut haben. Viele Zahnärzte haben auch eine Facebook-Fanpage und versuchen dort, mit Patienten in den Dialog zu kommen und auf Kritik zu reagieren. Welche juristischen Regeln gilt es hierbei zu beachten? Eine Facebook-Fanpage wäre bei Ärzten bereits aufgrund der Unsachlichkeit ver- boten. Eine übliche Unternehmensseite bei Facebook ist zulässig, soweit diese alleine der sachlichen Vorstellung der Pra- xis dient. Früher war sogar die Bewertungs- funktion auf der eigenen Website unzu- lässig. Aktiviert ein Arzt die Bewertungs- funktion seiner Facebookseite, sollte er die Bewertungen niemals kommentieren. Denn durch seinen Kommentar (eine Danksagung reicht bereits!) bestätigt er in der Regel einen Behandlungskontakt mit dem Facebooknutzer mit der Folge, dass er seine Schweigepflicht verletzt und sich strafbar macht. Grundsätzlich ist bei Ärzten ein „transparentes“ Reagieren auf Kritik unmöglich. Die Auseinandersetzung darf die Arzt-Patienten-Ebene nicht verlas- sen und schon gar nicht auf dem größten Social-Media-Portal ausgetragen werden. Daher: Finger weg von Kommentierungen bei Facebook. Matthias Hechler, M.B.A. Anwaltskanzlei Hechler Remsstr. 17, 73525 Schwäbisch-Gmünd www.bewertungs-abwehr.de ? ? ? „Finger weg von Kommentierungen!“ R ECHTSANWALT M ATTHIAS H ECHLER aktiv und lässt sich in Echtzeit Bewertungs- eingänge anzeigen – und erhält in einem solchen Fall dann eine Benachrichtigung per E-Mail, SMS oder Messenger. Eine solche Präsenz findet Tenzer übertrie- ben. „Das Wichtigste bei Ärzten und vor allem bei Zahnärzten bleibt sicherlich die Mundpropaganda“, sagt er. Wenn aber je- mand mehrere persönliche Empfehlungen eingeholt hat, checkt er vielleicht doch die Profile dieser Praxen im Internet. Die Augen vor dieser Entwicklung ganz zu verschließen, sei also der falsche Weg: „Man kann nicht einfach sagen, ich brauche das Web nicht, denn es ist nun einmal da. Und darum muss man sich damit auseinandersetzen.“ Bei den Bewertungsportalen ist der Service in der Regel mit Folgekosten verbunden: Foto: privat 74 Praxis

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