Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23
zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2792) Die modernen Waffen des Ersten Weltkriegs mit ihrer neuartigen Präzision und Spreng- kraft brachten bis dahin kaum bekannte Ver- letzungen. Insgesamt viereinhalb Millionen verwundete Soldaten – meistens an den Gliedmaßen, am Brustkorb und etwa 15 Prozent an Kopf und Hals – mussten damals medizinisch versorgt werden. Was tun? Der Zahnarzt Christian Bruhn richtete 1914 in seinen Praxisräumen in drei Gebäuden der Düsseldorfer Innenstadt ein Lazarett speziell für kieferverletzte Soldaten ein – es wurde die größte Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Zeitweilig standen über 680 Betten zur Verfügung. „Das ist schon eine gewaltige Anzahl und entspricht in etwa der Hälfte der Bettenkapazität des kompletten heutigen Universitätsklinikums“, berichtet Prof. Dr. Dieter Drescher, Direktor der Polikli- nik für Kieferorthopädie am Universitätsklini- kum Düsseldorf. Bruhn leistete auch Pionier- arbeit in der Pflege der häufig traumatisier- ten und schwer entstellten Verwundeten. „Bruhn gilt als Mitbegründer des modernen Reha-Wesens“, erzählt Drescher. „Er organi- sierte Werkstätten, Kunsttherapien, Konzerte oder auch Schreibwettbewerbe unter den Patienten.“ Der Ursprung der Westdeutschen Kiefer- klinik geht auf das Lazarett zurück: Um die Klinik über den Krieg hinaus erhalten zu können, gründete Bruhn im Jahr 1917 den Verein „Westdeutsche Kieferklinik e. V.“, sechs Jahre später wurde sie von der Stadt Düsseldorf übernommen und der seit 1907 existierenden Medizinischen Akademie ange- gliedert. Rund 100 Betten, Labore, Röntgen- und Bestrahlungszimmer sowie ein Fotolabor standen nun zur Verfügung. Vom Lazarett zur Universität Neben Klinikgründer Bruhn war der Chirurg August Lindemann die prägende Persön- lichkeit der jungen Klinik. Er folgte Bruhn im Jahr 1936 als leitender Direktor und wurde in Düsseldorf der erste Ordinarius für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten Deutschlands. Die nach ihm benannte Lindemannfräse gilt heute noch als die wohl meistgenutzte Knochenfräse in der Zahnmedizin. Beinahe 20 Jahre verblieb er auf dem Direktionspos- ten. Auch im Zweiten Weltkrieg. Weil die Innenstadt zerbombt war, zog die Klinik – abermals zu einem Lazarett für „gesichtsverletzte Frontkämpfer“ umge- wandelt – 1940 in das „Haus Himmelgeist“, ein ehemaliges Pflegeheim der Stadt Düsseldorf auf dem Gelände der damaligen Städtischen Krankenanstalten. Hier befindet sich die Einrichtung heute noch, beinahe 80 Jahre später. Anfang der 1960er-Jahre formte die Medizi- nische Fakultät getrennte Lehrstühle für die Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie und die Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde. Kurze Zeit später wurde die Uni- versität Düsseldorf gegründet und aus der Akademie wurde die Medizinische Fakultät. 1985 folgte die Umstrukturierung zum Zen- trum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit seinen vier zahnärztlichen Polikliniken sowie der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie. Der traditions- reiche Name „Westdeutsche Kieferklinik“ wurde als Zusatz beibehalten. Die Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichts- chirurgie befindet sich seit 2014 im neu ge- bauten Zentrum für Operative Medizin II. Im Wintersemester 2016/17 studierten 243 Frauen und 96 Männer Zahnmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. nb Alle Informationen wurden vom Universitäts- klinikum Düsseldorf zur Verfügung gestellt. 100 Jahre Westdeutsche Kieferklinik Die Geburtsstätte der deutschen MKG-Chirurgie Gegründet im Ersten Weltkrieg gilt die Westdeutsche Kieferklinik als erste Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Heute feiert das Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Düsseldorf 100-jähriges Bestehen. 1940 zog die Klinik in das ehemalige Pflegeheim „Haus Himmelgeist“, wo sich die Einrichtung bis heute befindet. Foto: UKD Der Düsseldorfer Zahnarzt Christian Bruhn (1868–1942) gründete die Westdeutsche Kie- ferklinik. Fotos: UKD-Hugger 94 Zahnmedizin
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