Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (14) Je niedrigerer die Regulierung, desto besser geht es der Wirtschaft – diese fragwürdige These legt die EU* beim Richtlinienentwurf für den Verhältnismäßigkeitstest an: Mit die- sem Test will sie klären, ob die Regulierung der betreffenden Berufe in den Mitglieds- ländern verhältnismäßig ist und nicht etwa gesamtwirtschaftliche Ziele aushebelt. Mit der Umsetzung hätte der nationale Gesetz- geber dann zu prüfen, ob beispielsweise die Ober- und Untergrenzen in den Gebühren- ordnungen den Wettbewerb unbotmäßig beeinträchtigen. Im federführenden Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments (IMCO) stand die Abstimmung darüber unmittelbar bevor – ein besseres Datum für den Austausch in Brüssel hätte es also nicht geben können. Der Einladung waren neben vielen weiteren Politikern mit den Abgeordneten Dr. Peter Liese (CDU) und Dr. Andreas Schwab (CDU) auch der gesundheits- und der binnen- marktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion gefolgt. Die Vertreter der BZÄK warben dabei für die gemeinsame Position der Heilberufe: eine Ausnahmeregelung für diese Berufs- gruppen zu schaffen. Sie warnten vor den mit der Richtlinie verbundenen und praktisch schwer umsetzbaren Nachweispflichten, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung erfüllt werden müssten. Leider keine Mehrheit für die Ausnahme Schwab, der als IMCO-Berichterstatter eine Schlüsselfigur der parlamentarischen Beratun- gen ist, nahm sich viel Zeit für eine intensive Diskussion, beantwortete die zahlreichen Fragen und legte seine Positionen dar. Er wies darauf hin, dass angesichts der Mehrheits- verhältnisse im Ausschuss eine Ausnahme für den Bereich Gesundheit, die auch er ur- sprünglich gefordert habe, keine Aussicht auf ausreichende Unterstützung hätte. Um der besonderen Rolle der Gesundheitsberufe gerecht zu werden, habe er für die unmittel- bar bevorstehende Abstimmung im IMCO am 4. Dezember zahlreiche Kompromisse vorgeschlagen. So sollen die Mitgliedstaaten bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung neuen Berufsrechts, das die Heilberufe oder die Patientensicherheit betrifft, stets das Ziel eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes berücksichtigen müssen, was durch weitere Vorschläge flankiert wird. Liese unterstützte diesen Ansatz ausdrücklich: Nur eine breite Mehrheit im IMCO garantiere ein solides Verhandlungsmandat im Sinne der Gesund- heitsberufe. Aus dem Bereich der Gesundheitspolitik wur- den schließlich die umstrittenen Bestrebungen des Europäischen Komitees für Normung (CEN), Gesundheitsdienstleistungen europa- weit zu normieren, diskutiert: Im Gesund- heitsbereich gibt es bereits eine CEN-Norm Zweites Europaforum der BZÄK in Brüssel Sonderregeln für die Gesundheitsberufe Die EU sieht im Berufsrecht ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung – und stellt damit bewährte Regeln infrage. Am 28. November veranstaltete die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zu diesem Thema ihr zweites Europaforum in Brüssel. Ein guter Zeitpunkt: Das Europäische Parlament stimmte den Richtlinien- vorschlag für den umstrittenen Verhältnismäßigkeitstest nämlich wenige Tage später ab – und billigte am Ende die besondere Rolle der Gesundheitsberufe. Welche Bedeutung dem Verhältnis- mäßigkeitstest politisch beigemessen wird, zeigt der Blick auf die Gästeliste: Der Einladung der BZÄK waren mit Dr. Peter Liese, MdEP (CDU), und Dr. Andreas Schwab, MdEP (CDU), so- wohl der gesundheits- als auch der binnenmarktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion gefolgt. Weitere Gäste waren Elke Schroer vom Referat Ge- sundheit der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU, Wolfgang Borde, stellvertretender Leiter der Vertretung Thüringens bei der EU und Vorsitzender des Arbeitskreises der Gesundheitsreferenten der Länderver- tretungen in Brüssel, Dr. Michael Weiss aus dem Kabinett des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani und Schwabs wissenschaftliche Mitarbeiterin Jana Schneider. Vonseiten der BZÄK nahmen neben dem Präsi- denten der BZÄK, Dr. Peter Engel, und dem Vorsitzenden des Ausschusses Europa, Dr. Michael Frank, die Präsi- denten der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Torsten Tomppert, der Landeszahnärztekammer Bayern, ZA Christian Berger, und der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Michael Brandt, teil. Das BZÄK-Europaforum in Brüssel Foto: Rawf8-Fotolia *Laut einer EU-Analyse führt ein niedrigerer Regulierungs- grad der Berufe zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen, etwa zu mehr Marktakteuren und damit zu mehr Wett- bewerb und niedrigeren Preisen. Die Regulierungsintensität umfasst vier Dimensionen: 1. Reglementierungsansatz (vor- behaltene Tätigkeiten und Schutz von Berufsbezeichnungen), 2. Qualifikationsanforderungen (Dauer der allgemeinen und beruflichen Bildung in Jahren, vorgeschriebene staatliche Prüfungen und ständige Weiterbildung, etc.), 3. weitere Zulassungsanforderungen (verpflichtende Mitgliedschaft bei einem Berufsverband oder einer Kammer, limitierte Zahl ausgegebener Lizenzen, andere Zulassungsanforderungen, etc.), 4. Ausübungsanforderungen (Einschränkungen hin- sichtlich der Rechtsform und bei der multidisziplinären Zusammenarbeit, Anforderungen an die Beteiligungs- verhältnisse, etc.). 14 Politik

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