Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (24) Heilberufler sehen verdächtige Verletzungen oder Verhaltensauffälligkeiten, die auf Miss- handlung oder sexuellen Missbrauch hin- deuten könnten, relativ früh und häufig. Sie spielen deshalb eine wichtige Rolle im Sys- tem des institutionellen Kinderschutzes. Bei der Frage, wie sie im Rahmen des Bun- deskinderschutzgesetzes vorgehen sollen, benötigen niedergelassene und angestellte Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinisches Fachpersonal bei Verdachts- fällen von Gewalt gegen Kinder allerdings eine schnelle und kompetente Beratung. Handeln ja, aber wie? Nicht selten kommt es vor, dass in der Praxis Verletzungen bei Kindern als Unfall deklariert werden, die Vorgeschichte und die Befunde aber nicht zusammenpassen. Häufig ereignen sich solche Vorstellungen außerhalb der üb- lichen Dienstzeiten, während Wochenend- oder Notdiensten. Und häufig ist es gerade der Zahnarzt, der als erster Mediziner aufge- sucht wird, weil Verletzungen im Kiefer-, Mund- und Zahnbereich unbehandelt nicht ausheilen. Aber wir Zahnärzte sehen Kinder, deren Zahngesundheit möglicherweise da- rauf schließen lässt, dass diese Kinder in keiner gesunden Umgebung aufwachsen oder gar Gewalt ausgesetzt sind, oft auch im ganz gewöhnlichen Praxisalltag. Wie gehen wir mit diesen Verdachtsfällen um, wenn es – trotz Bundeskinderschutzgesetz – nach wie vor Kommunikationsprobleme mit der Jugendhilfe gibt? Wegen dieser nicht immer reibungslos funk- tionierenden Zusammenarbeit wurde im Sommer 2017 die „Medizinische Kinder- schutzhotline“ ins Leben gerufen, die das Universitätsklinikum Ulm zusammen mit dem DRK Klinikum Berlin-Westend betreibt (www.kinderschutzhotline.de ). Die Hotline, mit der Betonung auf „medizinisch“, soll die Kooperation mit dem Jugendamt keines- wegs ersetzen, sondern bietet in schwierigen Entscheidungssituationen eine zeitnahe, kompetente und praxisnahe Beratung zu den Möglichkeiten des interdisziplinären Kinderschutzes nach dem Bundeskinder- schutzgesetz. Ärzte, Zahnärzte, Psycho- therapeuten und Pflegekräfte können sich bundesweit rund um die Uhr bei Verdachts- fällen auf Kindeswohlgefährdung, auch in Notsituationen, telefonisch beraten lassen. Ziel ist, rechtliche Unsicherheiten, etwa zur Informationsweitergabe nach § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Kommunika- tion im Kinderschutz (KKG), zu klären und wichtige Informationen schneller zugänglich zu machen. Ein Lotse im Interesse des betroffenen Kindes Selbstverständlich verbleibt dabei die (zahn)ärztliche Letztverantwortung beim behandelnden (Zahn)Arzt. In erster Linie geht es also nicht um ein medizinisches Konsil, sondern um eine kollegiale Beratung durch Angehörige der Heilberufe, die speziell zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Jugendhilfe geschult worden sind. Dabei übernimmt die Kinder- schutzhotline eine Art Lotsenfunktion, da- mit im Interesse des betroffenen Kindes oder Jugendlichen schnell und effektiv Hilfe in die Wege geleitet werden kann. Finanziert wird das vorerst auf drei Jahre angelegte interprofessionelle Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg M. Fegert von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie Ulm vom Bundesfamilien- Neue „Medizinische Kinderschutzhotline“ Verdacht auf Kindesmisshandlung – und jetzt? Ärzte und auch Zahnärzte werden häufig damit konfrontiert, dass Kinder mit gewaltbedingten Verletzungen in ihre Praxen kommen. Aber wissen Sie genau, was Sie dann tun müssen? Mit der „Medizinischen Kinderschutzhotline“ gibt es jetzt eine kostenfreie und 24 Stunden erreichbare Anlaufstelle für Heilberufler, um sich bei Verdachtsfällen von Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch Hilfe zu holen. Foto: soupstock_Fotolia/Kinderschutzhotline 24 Praxis

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