Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (30) die Helferinnen stundenweise beschäftigt und mit teilweise £ 8,50 pro Stunde bezahlt. Eine Fluktuation von etwa 30 Prozent ist normal Oder man versucht, durch strategische Ein- käufe eine Praxiskette aufzubauen. Davon gibt es eine Reihe, die größte dieser Zahnarzt- ketten verfügt über etwa 650 Praxen. Kürzlich erst wurde eine mittelgroße Kette mit 79 Praxen von zwei Zahnärzten an die Jacobs- Holding verkauft. Kennen Sie nicht? Gehört zum Bremer Kaffeeröster Klaus J. Jacobs. Der Human-Ressources-Vorstand einer Zahn- arztkette erzählte mir, dass sie eine Personal- Fluktuation von etwa 30 Prozent haben – sowohl bei Zahnärzten als auch bei Praxis- managern und Helferinnen. Es würde jedoch den Umfang meines kleinen Artikels sprengen, näher auf die Umstände einzugehen. Was das allerdings für die einzelnen Praxen bedeutet, hinsichtlich Kosten und Verlust an Know-how, kann sich jeder an fünf Fingern selbst ausrechnen. Patienten sehen manch- mal innerhalb eines Jahres drei verschiedene Zahnärzte, denn kaum ein Zahnarzt bleibt als Associate länger als zwei Jahre in einer Praxis. Die Praxismanager stehen unter enormem Druck, dafür zu sorgen, dass die UDAs erbracht werden. Dabei kann es vor- kommen, dass einem Zahnarzt gesagt wird: „Vielleicht ist es ja doch schon eine Karies und nicht nur eine Verfärbung ...“ Die Patienten in Großbritannien halten ihr NHS immer noch für das beste Gesundheits- system der Welt. Es gibt kaum Klagen darüber, schon wieder einen neuen Zahnarzt zu sehen oder nur eine Acryl-Teilprothese zu erhalten. Oftmals kommen Patienten bereits mit einer selbstgestellten Diagnose: „Ich habe einen Abszess und benötige ein Antibiotikum!“ Typisch deutsch: Debatten über den Kronenrand Diskussionen darüber und vielleicht noch die Weigerung, ein Rezept für ein Antibiotikum auszustellen, da es sich keineswegs um einen Abszess handelt, führen schnell zu schriftlichen Beschwerden über den Zahn- arzt. Diese müssen innerhalb von zehn Tagen schriftlich beantwortet werden. Und wer denkt, dies auf der Grundlage seines zahnmedizinischen Wissens zu tun, wird schnell eines Besseren belehrt. Bei der Be- antwortung dieser Beschwerden geht es in erster Linie darum, sich vonseiten der Praxis beim Patienten zu entschuldigen und darauf hinzuweisen, dass wohl ein Fehler unterlaufen sei, man dies aber in der Team- besprechung erörtern werde, um in Zukunft besser zu handeln. Würde man hier (wie in Deutschland üblich) über den Kronenrand, positive oder negative Stufen diskutieren, hielten dies viele zahnärztliche Kollegen im NHS für etwas wohl speziell Deutsches, das man nicht weiter ernst nehmen muss. Selbstverständlich bieten NHS-Praxen auch private Versorgungen an, die sich vom fach- lichen Niveau her allerdings selten von der NHS-Qualität unterscheiden. Nur, dass es sich dabei um Composite-Füllungen, VMK- Kronen oder Modellgussprothesen handelt. Aber warum denn £ 950 für eine Modellguss- prothese zahlen, wenn unter Zuhilfenahme von Haftcreme auch die Acryl-Prothese die Lücken schließt? Ein riesiges Banner an der Wand? Alles ist erlaubt! Wem das Ganze überhaupt nicht zusagt, der kann sich natürlich auch in einer reinen Privatpraxis behandeln lassen. Eine Begren- 2016/17 lagen die Gesamtausgaben für den NHS bei £ 122,5 Milliarden. Der NHS beschäftigt insgesamt 1,5 Millionen Angestellte, davon arbeiten 1,2 Millionen im Vereinigten Königreich (150.273 Ärzte, 40.584 GPs (General Prac- titioners, vergleichbar mit deutschen Haus- ärzten in eigener Praxis), 314.966 Schwes- tern, 18.862 Sanitäter und Rettungskräfte, 111.127 medizinisch und zahnmedizinisch Beschäftigte im öffentlichen Gesundheits- service). Einwohner je NHS-Zahnarzt (Versorgungs- dichte Stand 2015/16): Nordengland: 2.225 Midlands und Ostengland: 2.254 London: 1.942 Südengland: 2.015 2016 gab es insgesamt 14.786 NHS-Pra- xen in England (ohne Wales, Schottland, Nordirland). 48 Prozent der 24.089 NHS-Zahnärzte sind Frauen. Etwa 2.500 Zahnärzte arbeiten komplett privat. Top 10 der Herkunftsländer der Zahnärzte, die ihre Qualifikation außerhalb des UK erworben haben: Polen: 803 Schweden: 770 Spanien: 683 Griechenland: 671 Irland: 661 Rumänien: 625 Portugal: 507 Ungarn: 340 Bulgarien: 319 Deutschland: 317 Recherche: Sven Thiele Zahnmedizin im Vereinigten Königreich Daten & Fakten Mundhygiene mangelhaft – ein häufiges Bild in sozial schwächeren Bezirken Londons Foto: S. Thiele 30 Zahnmedizin im NHS

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=