Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (31) zung für Gebühren gibt es nicht und jeder kann einen Preis aufrufen, von dem er denkt, dass ihn der Markt hergibt. Teilweise spricht man in dem Zusammenhang auch von „Ärzten ohne Grenzen“. Eine Composite- Füllung fängt da bei etwa £ 180 an, Wurzelkanalbehandlungen bei etwa £ 1.000. Werbung ist für alle Praxen er- laubt, egal ob ein riesiges Banner an der Hauswand, Facebook- und Google- Werbung, Groupon-Gutscheine, Happy- Hour-Preise oder Weihnachts-, Oster- oder Halloween-Specials. Es geht gele- gentlich zu wie auf einem orientalischen Basar, im Gegensatz zu Deutschland ist man wenig kreativ und legt nicht wirk- lich Wert auf eine vertrauensvolle Zahn- arzt-Patienten-Beziehung. Gleichzeitig ist kurzfristiges Denken aufseiten der Praxisinhaber die Regel. Das führt natürlich dazu, dass es unter Patienten eine Mentalität gibt, den Hygienist in der einen Praxis zu besuchen und zur Untersuchung in eine andere zu gehen, um für Füllungen und für eine dritte Meinung zwischen weiteren Praxen zu springen. Londons Bevölkerung besteht zu mehr als 50 Prozent aus Menschen mit nicht- britischem Hintergrund. Viele Bereiche im Dienstleistungssektor würden ohne eu- ropäische Einwanderer zusammenbrechen. So arbeiten sehr viele osteuropäische Ein- wanderer als Helferinnen in Zahnarztpraxen. Dazu mussten sie jedoch erst die Ausbil- dung an einer der privaten Helferinnen- schulen besuchen und bezahlen. Mit der Ankündigung des Brexit verschieben sich die Zahlen zwischen denen, die auf der Insel ihr Glück versuchen wollen, und denen, die das Land wieder verlassen, in 2017 eindeutig in Richtung derer, die zurück in ihr Heimatland gehen. Das liegt unter anderem daran, dass man inzwischen genug Geld verdient hat, um zu Hause sein eigenes Geschäft zu star- ten, das Britische Pfund viel an Wert verloren hat, die Mieten extrem hoch und die Preise im Supermarkt auch kein Schnäppchen sind, sowie nicht zuletzt daran, dass Briten eben ihre ganz eigene Art haben, über Ausländer zu denken. Auch wenn das offiziell niemand zugeben würde. Und jetzt noch der Brexit ... Einige dieser Helferinnenschulen mussten in diesem Jahr bereits schließen, weil es nicht mehr genug Bewerberinnen gab. Praxen haben vermehrt Probleme, dauerhaft Helfe- rinnen zu finden und müssen nicht selten auf Agenturen zurückgreifen, die ihnen tage- oder stundenweise Kräfte anbieten. Glaubt man den Zeitungsberichten, wird der Brexit zu einer dramatischen Abwande- rung von Fachkräften im medizinischen und im zahnmedizinischen Bereich führen. Aus- geschlossen ist nicht, dass sich, wie es bereits in den 90er-Jahren der Fall war, Schlangen von Patienten vor Praxen bilden. Informationen zur Registrierung beim GDC finden Sie unter www.gdc-uk.org (englisch), und wer vorhat, mehr über die Zahnheilkunde im Vereinigten Königreich zu erfahren, dem sei der Blog www.foreigndentist.wordpress . com ( deutsch) empfohlen. Patientenübergriffe: Plakate wie dieses warnen vor den Konsequenzen. Foto: S. Thiele Was Du sparst, das lass Dir sagen: ein typischer Praxiswerbeflyer. Foto: S. Thiele Sven Thiele ist Zahnarzt, Autor und Dozent an einer Londoner Universität. Foto: privat 31

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