Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (36) Der Fall: Cäcilia S. ist GKV-versichert. Nach ihrem berufsbedingten Umzug stellt sie sich im neuen Wohnort mit der Notwendigkeit einer Überkronung des Zahnes 24 in der Praxis von Dr. Peter B. vor. Der Befund er- gibt ein suffizient konservierend versorgtes Gebiss mit einer Aufbaufüllung am zu über- kronenden Zahn, der gemäß Anamnese auch endodontisch versorgt wurde. Ein mit- geführtes, etwa vier Jahre altes Röntgenbild, das vom früheren Zahnarzt der Patientin, Dr. Otto T., unmittelbar nach Abschluss der Wurzelkanalbehandlung angefertigt wurde, zeigt eine an beiden Kanälen bis ins letzte Drittel reichende, also den kassenzahn- ärztlichen Vorgaben entsprechende Wurzel- füllung. B. beschließt, eine neue Röntgenaufnahme anzufertigen, auf der jedoch die Wurzel- füllung nur noch schwach erkennbar ist und im oberen Drittel der Kanäle endet. Auf Nachfrage gibt die Patientin an, sie habe für die Durchführung der Wurzelbehandlung nach aktuellem wissenschaftlichem Standard in einer deutschen Großstadt seinerzeit 250 Euro zuzahlen müssen. Zunächst zieht B. einen Mangel im Entwicklungsprozess sei- ner Röntgenbilder in Erwägung und fertigt unter sorgfältiger Abwägung eine weitere Aufnahme an, die aber den gleichen Befund zeigt. Daraufhin beschließt er, den vorbe- handelnden Kollegen telefonisch zu kon- taktieren. Der erklärt in diesem Gespräch, dass in seiner Praxis ausschließlich Calcium- hydroxid zum Einsatz kommt. B. berichtet von der Resorption des Materials und gibt an, zunächst eine Revision durchzuführen, anschließend den Zahn lege artis abzufüllen und nach Ausheilung die prothetische Ver- sorgung bei der Krankenkasse der Patientin zu beantragen, da nach den gegebenen Umständen eine Ablehnung des Antrags zu erwarten sei. T. antwortet daraufhin, dieses Problem habe er regelmäßig, würde es aber durch erneutes Einbringen von Calcium- hydroxid und die zeitnahe Anfertigung eines Röntgenbildes umgehen: Mit der neuen Röntgenaufnahme habe es noch nie Probleme mit Krankenkassen im Zusam- menhang mit beantragten prothetischen Versorgungen gegeben. B. ist sich sicher, dass dieses Verfahren nicht den Regeln einer fachgerechten und sorg- fältigen zahnärztlichen Behandlung ent- spricht, da schließlich sowohl die Patientin als auch der Kostenträger getäuscht werden. Besonders erschwerend kommt aus seiner Sicht hinzu, dass T. Calciumhydroxid offen- sichtlich standardmäßig als definitives Wur- Die klinisch-ethische Falldiskussion Wenn der Kollege nicht lege artis behandelt hat Ralf Vollmuth, André Müllerschön, Dirk Leisenberg, Hans-Jürgen Gahlen Mit der anstehenden Kronenversorgung bei einer neuen Patientin wird ein Zahnarzt mit der Tatsache konfrontiert, dass der vorbehandelnde Kollege bei Wurzelkanalfüllungen wissentlich und mit Täuschungsabsicht die üblichen Stan- dards nicht einhält. Wie soll er sich verhalten – wo endet hier die Kollegialität? Der Fall wird nach der Prinzipienethik von Beauchamp und Childress von zwei niedergelassenen Kollegen erörtert. Ein vorbehandelnder Kollege, der standardmäßig insuffiziente, nicht fachgerechte Wurzelkanal- füllungen (Archivbild) anfertigt – wie soll man da reagieren? Foto: Altenburger 36 Zahnmedizin

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