Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (47) Bildungsstand der Mütter) berücksichtigt werden. In allen statistischen Modellen mit und ohne Berücksichtigung dieser Einfluss- größen bleibt der Zusammenhang von geringeren GCI beziehungsweise IQ bei höheren Fluoridgehalten im Urin erhalten, in wenigen Berechnungen verliert der Zu- sammenhang allerdings seine statistische Signifikanz. Trotz einiger methodischer Stärken, mit denen sich die Untersuchung durchaus von einer Anzahl vorhergehender Studien abhebt, müssen jedoch deutliche Zurück- weisungen bezüglich einer Verallgemeine- rung und Übertragung auf zahnmedizinische Aspekte vorgebracht werden. Diese begrün- den sich in der Art der Fluoridanwendung bei Schwangeren, in methodischen Mängeln der Studie und letztlich auch in Ungereimt- heiten im Studienumfeld. In erster Linie muss jedoch herausgestellt werden, dass die in Mexiko-Stadt durch- geführte Studie Bezüge zur Fluorid- ausscheidung im Urin nach systemischer Fluoridaufnahme herstellt. Die für Schwan- gere in Deutschland seitens der Zahn- medizin empfohlenen Fluoridierungsmaß- nahmen sind jedoch allesamt Maßnahmen der lokalen Fluoridierung der Zahnoberflächen. Sei es als Zahnpasten, Mundspüllösungen, Gelees oder Lacke, alle diese Maßnahmen führen allenfalls kurzfristig zu einer geringen Erhöhung der Fluoridkonzentration im Plasma oder Urin, weil die werdenden Mütter die Fluoridierungsmittel ausspucken oder weil die professionelle Anwendung von Fluoridlacken nur selten und mit geringen Fluoridmengen erfolgt. Schlussfolgerungen aus den infolge systemischer Fluoridzufuhr bei den schwangeren Frauen in Mexiko gefundenen Fluoridkonzentrationen sind daher in keiner Weise statthaft. Fluoridanwendung in der Schwangerschaft Aktuelle Konzepte der zahnmedizinischen Betreuung schwangerer Frauen sehen Kontrollen und besondere Präventions- maßnahmen vor, die nicht nur der oralen Gesundheit der werdenden Mutter dienen, sondern neben der oralen auch die allge- meine Gesundheit des Kindes fördern [9]. Hierzu zählen Professionelle Zahnreinigun- gen, die routinemäßig mit einer lokalen Fluoridierung der Zähne abschließen, eben- so wie gegebenenfalls zusätzliche häusliche Fluoridierungsmaßnahmen, wenn beispiels- weise wegen schwangerschaftsbedingtem Brechreiz die Zähne zusätzlich fluoridiert werden sollen. Die lokal angewendeten Fluoridierungsmaßnahmen führen kurzfris- tig zu einer geringen Erhöhung der Fluorid- konzentration im Plasma und Urin. Auch nach Anwendung eines Fluoridlacks ist die ursprüngliche Fluoridkonzentration im Forscher um Morteza Bashash, PhD, Assis- tant-Professor für öffentliche Gesundheit an der Universität von Toronto in Kanada, begleiteten eine Gruppe mexikanischer Kinder von der Schwangerschaft der Müt- ter bis zur frühen Adoleszenz, um heraus- zufinden, wie groß der Einfluss einer prä- natalen Fluoridexposition auf die neuro- kognitive Entwicklung des Kindes ist. Untersucht wurden die Daten aus dem Projekt „Early Life Exposures in Mexico to Environmental Toxicants“ (ELEMENT). Die von der Harvard-Universität initiierte „Element“-Studie wird mit Mitteln der US-Regierung finanziert, umfasst 1.000 Schwangere und geht seit Jahrzehnten der Frage nach, wie sich Substanzen aus der Umwelt auf Neugeborene auswirken. Quecksilber, Blei undWeichmacher standen schon auf dem Prüfstein, nun also Fluorid. Das internationale Team analysierte zwei Kohorten aus der Element-Studie. Mithilfe von Elektroden wurde die Fluoridkonzen- tration in archivierten Urinproben dieser Mütter während ihrer Schwangerschaft (1997 bis 2001) gemessen. Die Fluorid- Exposition der Kinder im Alter von sechs und zwölf Jahren wurde per Urinanalyse getestet – angepasst an den Harn-Kreatinin- Wert und an das spezifische Gewicht. Die Intelligenz der Kinder wurde im Alter von vier (McCarthy-Test) sowie im Zeitraum von sechs bis zwölf Jahren (Wechsler-Test) gemessen. Die Frauen waren zumZeitpunkt der Rekru- tierung mindestens in der 14. Schwanger- schaftswoche. Ausgeschlossen waren Pro- bandinnen mit psychiatrischen Störungen, mit Schwangerschaftsdiabetes, mit Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch und Hochrisikoschwangerschaften. Insge- samt lagen schließlich die Daten von 299 Mutter-Kind-Paaren vor. Bei allen Müttern (n =299) und Kindern mit verfügbaren Urinproben (n=211) lagen die mittleren SD-Werte für Urinfluorid bei 0,90 (0,35) mg/L beziehungsweise bei 0,82 (0,38) mg/L. Nachdem die Kinder- bezogenen Faktoren (Gestationsalter und Geburtsgewicht, Geschlecht, Erstkind und Alter bei der Outcome-Messung) und die Mutter-bezogenen Faktoren (Raucherver- lauf, Familienstand, Entbindungsalter, IQ, Ausbildung und Kohorte) unter Zuhilfe- nahme multivariater Modelle adjustiert wurden, kamen die Forscher zu folgenden Ergebnissen: Eine Zunahme des Urinfluorids der Mutter von 0,5 mg/L (ungefähr der IQR) geht mit geringeren IQ-Werten von 3,15 (95% CI: –5,42, –0,87) beziehungsweise 2,50 (95% CI: –4,12, –0,59) einher. Die Forscher erhielten bei 287 Mutter- Kind-Paaren Daten aus dem McCarthy- Test und bei 211 Paaren Daten aus dem Wechsler-Test. Bei beiden Tests lag die durchschnittliche Punktzahl zwischen 85 und 115, wobei eine höhere Punktzahl eine bessere Leistung anzeigt. Ergebnis: Den Wissenschaftlern zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen hohen Fluoridspiegeln im Urin der Mütter und reduzierten Scores bei den kognitiven Tests der Kinder. Eine Fluoridexposition der Mutter während der Schwangerschaft könnte die Intelligenz ihrer Kinder senken. Morteza Bashash, Deena Thomas, Howard Hu, E. Angeles Martinez-Mier, Brisa N. Sanchez, Niladri Basu, Karen E. Peterson, Adrienne S. Ettinger, Robert Wright, Zhenzhen Zhang, Yun Liu, Lourdes Schnaas, Adriana Mercado-García, Martha María Téllez-Rojo and Mauricio Hernández-Avila: Prenatal Fluoride Expo- sure and Cognitive Outcomes in Children at 4 and 6–12 Years of Age in Mexico, in: Environ Health Perspect; DOI:10.1289/EHP655 Die Fluorid-Studie aus Mexiko Zusammenfassung 47

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