Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (67) Wirt führt, was sich gesundheitsschädlich auswirkt. Wirtsantwort – aktive Prozesse, die von einem mikrobiellen Angriff herrühren: Unterschieden wird eine innate (angeborene) und eine adaptive (erworbene) Wirtsantwort. Die innate Immunantwort ist ein schützender Mechanismus gegenüber einem mikrobiellen Angriff, der rasch erfolgt und unspezifisch ist. Die adaptive Immunantwort ist erworben und spezifisch. Als komplexe, multifaktorielle Erkrankung werden die Entstehung und der Verlauf der Parodontitis zudem von einer Reihe von modifizierbaren und nicht-modifizierbaren Risikofaktoren beeinflusst (Abbildung 1). Der dentale Biofilm ist hochgradig organisiert Die Bakterien auf und in unserem Körper bilden ein funktionelles Organ, das eine fundamentale Bedeutung für unsere Ge- sundheit besitzt (Abbildung 2) [Bordenstein & Theis, 2015]. Zusammen mit seinem Mikrobiom bildet der menschliche Orga- nismus einen „Superorganismus“ – einen sogenannten Holobionten, wobei dieser mindestens ebenso viele Bakterien- wie Körperzellen enthält [Sender et al., 2016]. Dabei leben die Mikroorganismen (Mikro- biota) im menschlichen Körper nicht in Isolation, sondern in hochgradig regulier- ten, strukturell und funktionell organisierten Gemeinschaften auf Oberflächen – den Bio- filmen. Hier können Bakterien untereinander mittels „Quorum Sensing“ kommunizieren, was ihnen zahlreiche Vorteile hinsichtlich der Kolonisation, des Überlebens und der Anpassung an veränderliche Umwelt- bedingungen verschafft [Li & Tian, 2012]. Störungen der Funktion und Zusammen- setzung des Mikrobioms können deutliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben [Cho & Blaser, 2012]. Das orale Mikrobiom (www.homd.org ) in der Mundhöhle besiedelt eine Reihe ganz unterschiedlicher Habitate – zum Beispiel Zähne, Zunge, Wangen. Zähne sind die einzige nicht-abschilfernde Oberfläche im menschlichen Körper und bieten günstige Bedingungen für eine Biofilmbildung. Der Speichel und die gingivale Sulkusflüssigkeit bieten Nährstoffe für das Bakterien- wachstum, enthalten aber auch anti- bakteriell wirksame Komponenten [Kilian et al., 2016]. Das komplexe Gleichgewicht zwischen den verschiedenen bakteriellen Spezies in der Mundhöhle ist verantwortlich für die Erhaltung eines gesunden Zustands – in Symbiose – oder für einen Zustand – in Dysbiose –, der mit Erkrankung assoziiert ist [Marsh & Zaura, 2017]. Eine ganze Reihe von Einflüssen können eine Störung des Ökosystems im Mund bewirken und eine Veränderung in Richtung zu einer Dysbiose verursachen (Abbildung 3) [Hajishengallis & Lamont, 2016]. Diese Vorstellung beruht auf der sogenannten „ökologischen Plaque- hypothese“, die beinhaltet, dass veränderte lokale Umweltbedingungen die Vermehrung derjenigen Mikroorganismen begünstigen, die dieser Umwelt am besten angepasst sind (Abbildung 4) [Marsh, 2003]. Die Wirtsantwort ist entscheidend In Abbildung 5 ist ein aktuelles Modell der Wirts-Bakterien-Interaktion in der Patho- genese von Gingivitis und Parodontitis dargestellt [Meyle & Chapple, 2015]. Bei klinischer Gesundheit sind leichte entzünd- liche Veränderungen durchaus im Einklang mit der Aufrechterhaltung einer ortsstän- digen gesundheitsfördernden parodontalen Mikrobiota. Die Wechselbeziehung ist sym- biotisch, sodass der Wirt in Harmonie mit den Mikroorganismen lebt. Wenn sich der Biofilm allerdings ungestört vermehren kann und nicht regelmäßig entfernt wird, können sich bestimmte parodontalpatho- gene Bakterien hervortun, und es kann sich eine beginnende Dysbiose entwickeln. Die lokale Entzündung verursacht einen er- höhten Fluss der an Nährstoffen reichen gingivalen Sulkusfüssigkeit sowie eine Sauer- stoffarmut, was das Wachstum anaerober und Protein-abhängiger Bakterien fördert. So profitiert beispielsweise Porphyromonas gingivalis von dem zunehmend entzünd- lichen Milieu und der damit einhergehen- den gingivalen Blutung und kann seiner- seits wiederum zur Dysbiose beitragen [Hajishengallis, 2014a, 2014b]. Bei einer Gingivitis ist die Wirtsantwort weiterhin an- gemessen, aber aufgrund der Reifung des Biofilms kann die damit verbundene Entzün- dung nicht ohne Weiteres aufgelöst werden und wird chronisch, was gleichfalls die Dys- biose unterstützt [Lamont & Hajishengallis, 2015]. Abbildung 1: Die Parodontitis ist eine komplexe Erkrankung, in der multiple Fakto- ren den Beginn und das Voranschreiten der Erkrankung individuell beeinflussen. Die indi- viduelle genetische Konstitution beein- flusst sowohl die Prä- disposition für andere Erkrankungen (zum Beispiel Diabetes) als auch die Zusammen- setzung der Mikroflora. Beide nehmen Einfluss auf das Immunsystem und damit auf das Erkrankungsrisiko für Parodontitis. Lifestyle- Faktoren (zum Beispiel Hygiene oder Rauchen) tragen ebenfalls er- heblich zum Krank- heitsrisiko bei. Quelle: Jepsen Parodontitis als multifaktorielle Erkrankung 67

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