Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (70) flüsse auf die Komposition der subgingiva- len Mikrobiota, eine reduzierte Mikrozirku- lation, gestörte Funktionen der neutrophilen Granulozyten, die Produktion proinflamma- torischer Zytokine und erhöhte Spiegel pathogener T-Zellen [Heasman et al., 2006; Loos et al., 2004]. Positive Effekte einer Ver- haltensänderung (Raucherstopp) auf die parodontale Gesundheit und Zahnerhalt sind belegt [Chambrone et al., 2013; Costa et al., 2013; Fiorini et al., 2014; Rosa et al., 2014; Dietrich et al., 2015]. Ernährung: Parodontitis kann auch durch die Ernährung beeinflusst werden [Hujoel & Lingström, 2017; Chapple et al., 2017]. So ist beispielsweise eine umgekehrte Asso- ziation zwischen der Einnahme und den Plasmakonzentrationen von Vitamin C und der Parodontitisprävalenz gezeigt worden [van der Velden et al., 2011]. Niedrige Spie- gel an Omega-3-Fettsäuren korrelieren mit stärkerer Parodontitis [Iwasaki et al., 2010]. Eine kohlenhydratreiche Diät kann die Blu- tungsneigung der Gingiva erhöhen [Hujoel, 2009; Wölber et al., 2016]. Die Zusammen- hänge zwischen Parodontitis und Ernäh- rung sind in einem Beitrag von Wölber und Tennert [2017] und hinsichtlich Probiotika und parodontaler Therapie in einem Beitrag von Schlagenhauf [2017] in den zm 23/24, 2017, näher ausgeführt worden. Genetisches Risiko: Der aktuelle Stand der Erkenntnisse zum genetischen Risiko wurde in aktuellen Übersichten von Schäfer et al. [zm, 2015] sowie Nibali et al. [2017] zusammengefasst. Der genetische Beitrag zum Parodontitisrisiko wird auf bis zu 50 Prozent geschätzt. Insbesondere bei jungen Patienten mit fortgeschrittener Parodontitis wird eine starke genetische Komponente vermutet [Laine et al., 2014; Loos et al., 2015]. Genetische Risikoprofile könnten zu- künftig das Potenzial haben, die Effektivität und Effizienz präventiver Interventionen individuell zu verbessern. Derzeit sind aber die wissenschaftlichen Belege für die meisten der veröffentlichten Risikovarianten noch unzureichend. Die wenigen, als vali- diert geltenden Risikogene (unter anderen ANRIL, PLG, NPY, GLT6D1, IL10) und ihre entsprechenden assoziierten Varianten ver- leihen eine zu geringe Vorhersagegenauig- keit für eine dem Patienten gewinnbringende Anwendung in einem persönlichen gene- tischen Risikoprofil. Dennoch liefern die als validiert geltenden Risikogene bereits wich- tige Erkenntnisse für das Verständnis der Ätiopathogenese der Parodontitis, indem sie auf eine große Bedeutung der Interaktion des Fett- und Glukosemetabolismus mit dem Immunsystem für die Parodontitis hin- weisen. Allerdings müssen die genauen Me- chanismen mit ihrer funktionellen Relevanz erst noch aufgeklärt werden. Interessant ist die Erkenntnis, dass genetische Varianten offenbar auch Einfluss auf die subgingivale bakterielle Kolonisierung nehmen [Divaris et al., 2012; Nibali et al., 2016]. Parodontitis gilt nach WHO als eine chronische, nicht-übertragbare Erkrankung [Non-Communicable Disease = NCD] und teilt soziale Determinanten und viele der oben angeführten Risikofaktoren mit anderen großen NCDs (wie Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Diabetes, Krebs und chro- nischen Atemwegserkrankungen), die für zwei Drittel der weltweiten Mortalität ver- antwortlich sind [Ezzati & Riboli, 2012]. Dabei kann die systemische entzündliche Belastung und beeinträchtigte Ernährung bei fortgeschrittener Parodontitis zur Patho- Abbildung 6: Prognostizierter erhöhter parodontaler Behandlungsbedarf in Deutschland durch den demografischen Wandel Quelle: KZBV-Jahrbuch 2016 Demografischer Wandel in Deutschland 70 Fortbildung Parodontologie

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